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Briefwechsel Ernst Jünger und Gerhard Nebel (1938 – 1974)


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Briefwechsel Ernst Jünger und Gerhard Nebel (1938 – 1974) Geistvolle Abenteurer „Sehr geehrter Herr Jünger! Die ‚Hanseatische Verlagsanstalt’ teilte mir mit, dass sie Ihnen meinen ‚Versuch’ zur Einsicht übersandt hat. Ich habe nun die Absicht, Sie um Ihr Urteil über diesen meinen Erstling auf diesem Gebiete zu bitten.“ Hiermit beginnt der opulente Briefwechsel des Bewunderers, der von dem Schriftsteller ein Urteil über einen Essay erbittet. Quasi die Goutierung des Meisters, über den er geschrieben hat. Ernst Jünger und Gerhard Nebel. Über ersteren müssen keine Worte mehr verloren werden. Nach den Franzosen, Italienern und anderen Europäern gelangen nun auch die Deutschen immer stärker zu einem Verständnis ihres großen Jahrhundert- und Nationaldichters. Seit seinem Tode im Februar 1998 hat sein Verlag, Klett-Cotta, nicht nur die Gesamtausgabe mit vier Supplementbänden abgeschlossen, die auch einige Texte aus dem Nachlass enthalten. Für ein tieferes Durchdringen des Jüngerschen Oevres sorgen vor allem die dankenswerterweise vom Stuttgarter Verlag veröffentlichten Briefwechsel. Der mit dem Kölner Griechisch-, Latein-, Deutsch- und Boxlehrer Gerhard Nebel ist nicht der erste Briefwechsel mit dem Waldgänger. 1997 machte der mit dem Maler Rudolf Schlichter den Anfang einer schon jetzt beeindruckenden Reihe umfänglicher und bibliophil gestalteter Bände. 1999 folgte der lang ersehnte Schriftwechsel mit dem Juristen und politischen Philosophen Carl Schmitt, der die äußerste Problematik dieser intensiven Beziehung verdeutlichte. Dem hier vorgestellten Briefwechsel mit dem acht Jahre jüngeren Nebel folgte der mit Gottfried Benn. In diesem Jahr wird die Korrespondenz mit dem Schriftsteller Stefan Andres herauskommen. Der Verlag scheint sich also Erhebliches vorgenommen zu haben. Nebel suchte den Kontakt zu dem von ihm bewunderten Schriftsteller 1938, als Jünger bereits eine nationale Dichtergröße war. Die Stahlgewitter hatten die zwanzigste Auflage erreicht, und Jünger bekannt gemacht. Ein anderes Schicksal hatte Nebel erlitten. Er fristete als hochintelligenter und belesener Geist sein Dasein an einem Kölner Gymnasium. Und damit wären wir beim ersten und einzigen Kritikpunkt an diesem Buch. Der Briefwechsel umfasst rund 450 Seiten, und nocheinmal soviel umfasst die Kommentierung der Herausgeber Ulrich Fröschle und Michael Neumann. Zwar ist der Kommentar allein schon aufgrund seines schieren Umfangs eine Hilfe für alle Interessierten, an einem bestimmten Punkt buchstäblich weiterzuforschen. Fraglich erscheint aber, alles Mögliche zu erläutern, was von einem Leser vorausgesetzt werden darf. Denn kaum jemand, der noch nicht viel von Jünger weiß und dem Nebel ein völlig unbeschriebenes Blatt ist, wird dieses tausend Seiten dicke Buch in die Hände nehmen. So scheint es überflüssig zu erklären, dass es sich bei den ‚Marmorklippen’ um Jüngers Buch handelt oder verzichtbar, seit wann er Carl Schmitt kannte. Die Gehässigkeit der Kritik allerdings ist völlig fehl am Platz. Hier scheint der übliche Intellektuellen-Neid das Motiv zu sein. Denn insgesamt muss der Anmerkungsapparat als äußerst genau und sehr hilfreich eingestuft werden. Für das Neidmotiv spricht auch, dass allgemein bemängelt worden ist, die Anmerkungen würden mehr Platz einnehmen als der Briefwechsel. An die Rezensenten-Kollegen: Erstens habt Ihr Euch verrechnet, der Umfang ist nämlich identisch. Und zweitens spielt dies auch überhaupt keine Rolle, wenn die Anmerkungen wichtig oder mindestens erhellend sind. Das sind die meisten. Allerdings wäre es besser gewesen, anstatt verstreut über dutzende von Anmerkungen Details aus dem Leben Nebels zu berichten, ihnen einen biographischen Essay über Jüngers Briefpartner vorauszuschicken. Dann hätte der Leser sogleich ein Bild von ihm bekommen. Nebel wurde 1903 in Dessau als einer von drei Söhnen geboren und musste früh den Tod beider Eltern erleben. Da er mittellos war, schlug er sich nach der Schule mit Nachhilfeunterricht und als Journalist durch, um dann in Freiburg, Marburg und Heidelberg Philosophie und Altphilologie zu studieren – unter anderen bei Heidegger und Jaspers. Wegen „sozialistischer Agitation“ wurde er vom Schuldienst suspendiert, 1932 beteiligte er sich an der Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) in Köln. 1934 ging Nebel für ein Jahr nach Ägypten, wo er als Hauslehrer arbeitete. Im Zweiten Weltkrieg wurde er zur Luftwaffe einberufen. Durch seine Versetzung nach Paris begegnete er Ernst Jünger und der Georgs-Runde, in der letzte Angehörige einer deutschen Elite einen Ausweg aus der historischen Situation suchten. Wegen eines Aufsatzes, in dem er die Luftwaffe mit Insekten verglich, wurde er denunziert und 1942 als Bausoldat auf die Kanalinsel Alderney strafversetzt. Das Kriegsende erlebte er nach diversen Zwischenstationen als Dolmetscher in Italien. Nach dem Krieg widmete er sich einer umfangreichen Publikationstätigkeit. Sein Leben lang war Nebel auf der Suche nach theologischen Antworten, nach einer Verankerung des Schönen in das menschliche Leben. Diese Suche führte ihn zu den mythischen Kultstätten: neben Ägypten auch nach Griechenland. Mit Jünger verband ihn die Prägung durch dieselben Autoren. Sein letztes Buch erschien 1973 über den auch von Ernst Jünger sehr geschätzten Johann Georg Hamann (1730 – 1788). In ihrem Nachwort skizzieren die Herausgeber Punkte aus der Biographie Nebels, die für ein Bild über ihn essentiell sind. Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass der heute weitestgehend unbekannte Nebel nach dem Zweiten Weltkrieg durch seine ersten Nachkriegsbücher schnell der Öffentlichkeit ein Begriff geworden war. Süffisant und für das Verständnis der Person Nebels aufschlussreich ist eine Anekdote, die Heinrich Böll in seinem Aufsatz über Ernst Jünger berichtet: „An die Lehrer des Gymnasiums, das ich ein Jahr nach Nebels stürmischen Auftritten absolvierte, erinnere ich mich mit großer Dankbarkeit, auch an Gerhard Nebel. Ich war in beiden Fächern, die Nebel gab, keine Glanznummer, im Boxen noch weniger als im Deutschen, aber Nebel hatte meine volle Sympathie. Er trug uns damals Gedichte von Friedrich Georg Jünger vor, machte uns auf Ernst Jünger aufmerksam und erklärte uns ziemlich offen, daß die Einführung des Boxens auf deutschen Schulen einem anglophobisch-anglophil gemischten Minderwertigkeitsgefühl der Nazis entsprungen sei.“ Die Zeit schrieb 1950 in ihrer Rezension von Nebels Kriegstagebuch „Unter Partisanen und Kreuzfahrern“: „Die von souveräner Heiterkeit durchstrahlten Berichte Nebels gehören zu den wenigen deutschen Soldatenbüchern, aus denen sich erkennen läßt, wie es eines Geistigen nicht unwürdig ist, sich dem Leiden und der Schuld rigoros auszusetzen.“ Nebels spezifischer, sein gottbezogener und tief gebildeter Blickwinkel ist heute selten geworden. Deshalb ist ihm umso mehr eine Renaissance seiner Bücher zu wünschen. Ihn überhaupt wieder wahrzunehmen, dazu trägt der vorgestellte Band bei. Diejenigen, die sich für die geistige Welt Ernst Jüngers und Nebels interessieren, haben in diesem Buch eine Schatztruhe, in der es sich lohnt, immer weiter zu graben. Einen Briefwechsel muss man ja nicht chronologisch lesen. Auch ein kürzeres Stöbern bietet sich einmal an. Empfehlenswert ist dann allerdings die vorherige Lektüre von Nebels Jünger-Buch (Ernst Jünger – Abenteuer des Geistes, Marées-Verlag 1949) oder Erik Lehnerts instruktiver kurzer Nebel-Biographie.

Geistvolle Abenteurer

weitere Rezensionen von Matthias Pierre Lubinsky


„Sehr geehrter Herr Jünger! Die ‚Hanseatische Verlagsanstalt’ teilte mir mit, dass sie Ihnen meinen ‚Versuch’ zur Einsicht übersandt hat. Ich habe nun die Absicht, Sie um Ihr Urteil über diesen meinen Erstling auf diesem Gebiete zu bitten.“ Hiermit beginnt der opulente Briefwechsel des Bewunderers, der von dem Schriftsteller ein Urteil über einen Essay erbittet. Quasi die Goutierung des Meisters, über den er geschrieben hat. Ernst Jünger und Gerhard Nebel. Über ersteren müssen keine Worte mehr verloren werden. Nach den Franzosen, Italienern und anderen Europäern gelangen nun auch die Deutschen immer stärker zu einem Verständnis ihres großen Jahrhundert- und Nationaldichters. Seit seinem Tode im Februar 1998 hat sein Verlag, Klett-Cotta, nicht nur die Gesamtausgabe mit vier Supplementbänden abgeschlossen, die auch einige Texte aus dem Nachlass enthalten. Für ein tieferes Durchdringen des Jüngerschen Oevres sorgen vor allem die dankenswerterweise vom Stuttgarter Verlag veröffentlichten Briefwechsel. Der mit dem Kölner Griechisch-, Latein-, Deutsch- und Boxlehrer Gerhard Nebel ist nicht der erste Briefwechsel mit dem Waldgänger. 1997 machte der mit dem Maler Rudolf Schlichter den Anfang einer schon jetzt beeindruckenden Reihe umfänglicher und bibliophil gestalteter Bände. 1999 folgte der lang ersehnte Schriftwechsel mit dem Juristen und politischen Philosophen Carl Schmitt, der die äußerste Problematik dieser intensiven Beziehung verdeutlichte. Dem hier vorgestellten Briefwechsel mit dem acht Jahre jüngeren Nebel folgte der mit Gottfried Benn. In diesem Jahr wird die Korrespondenz mit dem Schriftsteller Stefan Andres herauskommen. Der Verlag scheint sich also Erhebliches vorgenommen zu haben.

Nebel suchte den Kontakt zu dem von ihm bewunderten Schriftsteller 1938, als Jünger bereits eine nationale Dichtergröße war. Die Stahlgewitter hatten die zwanzigste Auflage erreicht, und Jünger bekannt gemacht. Ein anderes Schicksal hatte Nebel erlitten. Er fristete als hochintelligenter und belesener Geist sein Dasein an einem Kölner Gymnasium. Und damit wären wir beim ersten und einzigen Kritikpunkt an diesem Buch. Der Briefwechsel umfasst rund 450 Seiten, und nocheinmal soviel umfasst die Kommentierung der Herausgeber Ulrich Fröschle und Michael Neumann. Zwar ist der Kommentar allein schon aufgrund seines schieren Umfangs eine Hilfe für alle Interessierten, an einem bestimmten Punkt buchstäblich weiterzuforschen. Fraglich erscheint aber, alles Mögliche zu erläutern, was von einem Leser vorausgesetzt werden darf. Denn kaum jemand, der noch nicht viel von Jünger weiß und dem Nebel ein völlig unbeschriebenes Blatt ist, wird dieses tausend Seiten dicke Buch in die Hände nehmen. So scheint es überflüssig zu erklären, dass es sich bei den ‚Marmorklippen’ um Jüngers Buch handelt oder verzichtbar, seit wann er Carl Schmitt kannte. Die Gehässigkeit der Kritik allerdings ist völlig fehl am Platz. Hier scheint der übliche Intellektuellen-Neid das Motiv zu sein. Denn insgesamt muss der Anmerkungsapparat als äußerst genau und sehr hilfreich eingestuft werden. Für das Neidmotiv spricht auch, dass allgemein bemängelt worden ist, die Anmerkungen würden mehr Platz einnehmen als der Briefwechsel. An die Rezensenten-Kollegen: Erstens habt Ihr Euch verrechnet, der Umfang ist nämlich identisch. Und zweitens spielt dies auch überhaupt keine Rolle, wenn die Anmerkungen wichtig oder mindestens erhellend sind. Das sind die meisten. Allerdings wäre es besser gewesen, anstatt verstreut über dutzende von Anmerkungen Details aus dem Leben Nebels zu berichten, ihnen einen biographischen Essay über Jüngers Briefpartner vorauszuschicken. Dann hätte der Leser sogleich ein Bild von ihm bekommen.

Nebel wurde 1903 in Dessau als einer von drei Söhnen geboren und musste früh den Tod beider Eltern erleben. Da er mittellos war, schlug er sich nach der Schule mit Nachhilfeunterricht und als Journalist durch, um dann in Freiburg, Marburg und Heidelberg Philosophie und Altphilologie zu studieren – unter anderen bei Heidegger und Jaspers. Wegen „sozialistischer Agitation“ wurde er vom Schuldienst suspendiert, 1932 beteiligte er sich an der Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) in Köln. 1934 ging Nebel für ein Jahr nach Ägypten, wo er als Hauslehrer arbeitete. Im Zweiten Weltkrieg wurde er zur Luftwaffe einberufen. Durch seine Versetzung nach Paris begegnete er Ernst Jünger und der Georgs-Runde, in der letzte Angehörige einer deutschen Elite einen Ausweg aus der historischen Situation suchten. Wegen eines Aufsatzes, in dem er die Luftwaffe mit Insekten verglich, wurde er denunziert und 1942 als Bausoldat auf die Kanalinsel Alderney strafversetzt. Das Kriegsende erlebte er nach diversen Zwischenstationen als Dolmetscher in Italien. Nach dem Krieg widmete er sich einer umfangreichen Publikationstätigkeit. Sein Leben lang war Nebel auf der Suche nach theologischen Antworten, nach einer Verankerung des Schönen in das menschliche Leben. Diese Suche führte ihn zu den mythischen Kultstätten: neben Ägypten auch nach Griechenland. Mit Jünger verband ihn die Prägung durch dieselben Autoren. Sein letztes Buch erschien 1973 über den auch von Ernst Jünger sehr geschätzten Johann Georg Hamann (1730 – 1788).

In ihrem Nachwort skizzieren die Herausgeber Punkte aus der Biographie Nebels, die für ein Bild über ihn essentiell sind. Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass der heute weitestgehend unbekannte Nebel nach dem Zweiten Weltkrieg durch seine ersten Nachkriegsbücher schnell der Öffentlichkeit ein Begriff geworden war. Süffisant und für das Verständnis der Person Nebels aufschlussreich ist eine Anekdote, die Heinrich Böll in seinem Aufsatz über Ernst Jünger berichtet: „An die Lehrer des Gymnasiums, das ich ein Jahr nach Nebels stürmischen Auftritten absolvierte, erinnere ich mich mit großer Dankbarkeit, auch an Gerhard Nebel. Ich war in beiden Fächern, die Nebel gab, keine Glanznummer, im Boxen noch weniger als im Deutschen, aber Nebel hatte meine volle Sympathie. Er trug uns damals Gedichte von Friedrich Georg Jünger vor, machte uns auf Ernst Jünger aufmerksam und erklärte uns ziemlich offen, daß die Einführung des Boxens auf deutschen Schulen einem anglophobisch-anglophil gemischten Minderwertigkeitsgefühl der Nazis entsprungen sei.“

Die Zeit schrieb 1950 in ihrer Rezension von Nebels Kriegstagebuch „Unter Partisanen und Kreuzfahrern“: „Die von souveräner Heiterkeit durchstrahlten Berichte Nebels gehören zu den wenigen deutschen Soldatenbüchern, aus denen sich erkennen läßt, wie es eines Geistigen nicht unwürdig ist, sich dem Leiden und der Schuld rigoros auszusetzen.“ Nebels spezifischer, sein gottbezogener und tief gebildeter Blickwinkel ist heute selten geworden. Deshalb ist ihm umso mehr eine Renaissance seiner Bücher zu wünschen. Ihn überhaupt wieder wahrzunehmen, dazu trägt der vorgestellte Band bei. Diejenigen, die sich für die geistige Welt Ernst Jüngers und Nebels interessieren, haben in diesem Buch eine Schatztruhe, in der es sich lohnt, immer weiter zu graben. Einen Briefwechsel muss man ja nicht chronologisch lesen. Auch ein kürzeres Stöbern bietet sich einmal an. Empfehlenswert ist dann allerdings die vorherige Lektüre von Nebels Jünger-Buch (Ernst Jünger – Abenteuer des Geistes, Marées-Verlag 1949) oder Erik Lehnerts instruktiver kurzer Nebel-Biographie.

geschrieben am 28.03.2007 | 1051 Wörter | 6328 Zeichen

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