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Interview mit Heike Eva Schmidt – Autorin von „Purpurmond“


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Heike Eva Schmidt ist die Drehbuchautorin der berühmten Serie „Dahoam is dahoam“ und schreibt mittlerweile auch Jugendromane. Darunter der erst kürzlich erschienene Thriller „Schlehenherz“ und ihr neuestes Werk „Purpurmond“, ein Fantasyroman. Wie sie auf die Idee für das Buch kam und was ihre Heimatstadt Bamberg damit zu tun hat, erzählt uns Heike Eva Schmidt in einem Interview.

webcritics: Zunächst möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Um Sie besser kennenzulernen fangen wir doch am Besten ganz am Anfang an. Sie haben in Bamberg Schulpsychologie studiert, sich danach aber dem Journalismus zugewandt und sind nun eine der Storyliner für die Serie „Dahoam is dahoam“. Wie sind Sie zum Schreiben von Romanen gekommen?

Heike Eva Schmidt: Schon als Kind habe ich mir gerne Geschichten ausgedacht und sie auch aufgeschrieben – anfangs natürlich mit haarsträubenden Rechtschreibfehlern! Obwohl das immer meine Passion war, bin ich lange nicht auf den Gedanken gekommen, das Geschichtenerfinden und -schreiben zu meiner Profession zu machen. Erst als ich beim Drehbuch angekommen war und bei „Dahoam is dahoam“ im wahrsten Sinne des Wortes ein berufliches „Dahoam“ gefunden hatte, traute ich mich an einen Romanstoff. Weil ich gemerkt habe, dass meine Ideen für Geschichten keine Ruhe geben würden, bis ich sie aufgeschrieben hätte. Also habe ich mit dem Schreiben losgelegt. Nach elf Monaten war mein erster Roman fertig. Daraufhin habe ich nach einer Literaturagentur gesucht, eine wunderbare Agentin gefunden – und kurz darauf hielt ich den ersten Buchvertrag in Händen!

webcritics: „Purpurmond“ ist Ihr erster Fantasy-Jugendroman. Warum nun doch ein Fantasy-Roman und nicht wieder ein Thriller für Jugendliche wie Ihr kürzlich erst erschienenes Werk „Schlehenherz“?

H.E. Schmidt: Ich war von Anfang an auf kein Genre festgelegt - im Gegenteil: Ich wusste recht schnell, dass ich unbedingt einmal eine Fantasygeschichte schreiben wollte. Damit fiel das Element Thriller schon mal weg. Ich weiß, das klingt jetzt ein bisschen verrückt, aber als mir klar war, dass „Purpurmond“ von Hexen handeln würde, war auch sofort die komplette Geschichte in meinem Kopf. Es war wirklich so, als hätte sie schon seit langem irgendwie, irgendwo auf mich gewartet. Vielleicht war da ja tatsächlich etwas „Magie“ im Spiel?

webcritics: Warum haben Sie „Purpurmond“ nicht als reinen historischen Jugendroman konzipiert, sondern ihm die Fantasy-Komponente gegeben?

H.E. Schmidt: Vielleicht, weil ich schon im Gymnasium keine Leuchte in Geschichte war?  Nein, ich wollte vor allem von der Zeit der Hexenverbrennungen, diesem sehr düsteren und grausamen Zeitalter, einen Bogen zur Jetztzeit schlagen. Denunziation, Verrat, aber auch tiefe Freundschaft sowie eine eigentlich unmögliche Liebe sind ja Themen, die damals genau wie heute noch aktuell sein können. Das ist quasi die Botschaft des Romans. Und mich hat der Gedanke gereizt, ein Mädchen aus dem Jahr 2012 in die Vergangenheit zu schicken und sie auf diese Weise hautnah erleben zu lassen, wie das Leben damals war. Bei allem Drama entsteht daraus nämlich auch eine ziemliche Komik. Meine „Heldin“ Cat ist ja ein echtes Kind des 3. Jahrtausends und setzt sich allein durch ihre Sprache und ihr - für damalige Verhältnisse völlig unangemessenes - Verhalten im Jahr 1630 häufig in die Nesseln. Andererseits kann sie sich durch die 300 Jahre „Vorsprung“ auch behaupten und einige Schwierigkeiten meistern. Ich glaube, der Leser taucht mehr in die Geschichte ein, wenn sie nicht ausschließlich in der Vergangenheit spielt. Weil Cats Probleme und ihre Gedanken sehr aktuell sind - immerhin muss sie sich in einem Leben, das für uns heute unvorstellbar ist, zurecht finden. Bei einem reinen Historienroman erlebt man ja nur das Leben damals mit. Und zuletzt muss ich gestehen, dass ich es einfach toll fand, meine Heldin durch die Zeit reisen zu lassen.

webcritics: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Cat mit Hilfe eines verfluchten Halsreifs durch die Zeit reisen zu lassen?

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H.E. Schmidt: „Schuld“ war das Münchner Oktoberfest! Dafür hatte ich mir nämlich ein Dirndl zugelegt und zu der Tracht gehörte auch der passende Schmuck, genauer: ein sogenanntes „Kropfbandl“. Das ist ein Band, meist aus Samt oder Seide, an dem z.B. ein versilbertes Edelweiß oder etwas in der Art hängt. Wie der Name schon sagt, liegt dieses „Kropfband“, anders als eine Kette, sehr eng am Hals an. Ich legte mir das Band also um, machte den Verschluss zu - und hatte eine Sekunde später das Gefühl, erwürgt zu werden! Also nestelte ich hektisch am Verschluss des Bandes herum und in dem Moment schoss mir der Gedanke durch den Kopf: „Was, wenn du die Kette nicht mehr abbekommst?“ Natürlich war „mein“ Band nicht verflucht und ich hatte es ruckzuck vom Hals, aber der Fluch für Cat war damit aus der Taufe gehoben!

webcritics: Wie kamen Sie darauf ein Buch über die Zeit der Hexenverfolgung zu schreiben?

H.E. Schmidt: Seit ich in der Schule ein Referat über die Hexenverfolgungen gehalten habe, hat mich dieses Thema nicht mehr losgelassen. Ich habe damals, obwohl ich schon längst den Schulstoff zusammen hatte, immer weiter im Bamberger Stadtarchiv recherchiert. Ich konnte nicht fassen, was damals Menschen - vor allem heilkundigen - Frauen angetan wurde. Aber auch Männer, selbst der Bamberger Bürgermeister Johannes Junius, fielen der Anklage zum Opfer - aus purer Willkür, Grausamkeit oder der Gier nach Macht und Geld.

webcritics: Was ist Fakt und was Fiktion an der Geschichte um die beiden Mädchen Cat und Dorothea?

H.E. Schmidt: Cat ist eine erfundene Figur, obwohl ich zugeben muss, dass ein bisschen von ihr auch in mir steckt - vor allem die große Klappe und eine Portion Eigensinn. Dorothea Flock hingegen hat wirklich gelebt: Sie war die letzte Angeklagte, die in Bamberg am 17. Mai 1630 als „Hexe“ hingerichtet wurde. Ihr Schicksal hat mich schon immer sehr berührt, denn für sie wurden mehrere Gnadengesuche eingereicht und ihre Familie kämpfte bis zuletzt verzweifelt um ihr Leben, allerdings vergeblich. In meinem Roman habe ich ihr ein Denkmal gesetzt und ihr ein Happy End zugedacht, das ihr im wahren Leben leider versagt geblieben ist. Den in „Purpurmond“ genannten Weihbischof „Fuchs von Dornheim“ hat es auch gegeben, er war weit über Bamberg hinaus als der schlimmste „Hexenbrenner“ gefürchtet und trug maßgeblich dazu bei, dass in Bamberg von 1624 bis 1630 fast tausend angebliche „Hexen und Hexer“ hingerichtet wurden.

webcritics: Was war der ausschlaggebende Grund, die Geschichte in Bamberg spielen zu lassen? Waren es die geschichtlichen Fakten der Stadt oder spielt doch die Tatsache mit hinein, dass Bamberg Ihre Heimatstadt ist?

H.E. Schmidt: Sie nennen in Ihrer Frage tatsächlich die zwei wichtigsten Gründe. Bamberg war im 17. Jahrhundert - wie man unschwer an der Zahl der Hinrichtungen, die ich oben genannt habe, erkennen kann - die Hochburg der Hexenverbrennungen. Was jedoch auch eine Rolle für mich spielte, die Handlung des Romans dort anzusetzen: Bamberg wurde im 2. Weltkrieg kaum zerstört. Das heißt, man sieht heute z.B. noch die Originalfassaden von Häusern, in denen damalige Bürger, die der Hexerei angeklagt worden waren, gelebt hatten. Die Stadt atmet förmlich Geschichte. Dass meine Cat im Roman also in die Vergangenheit reist und das Stadtbild Bambergs gar nicht mal so sehr verändert vorfindet - im Gegensatz zu Kleidung, Ausdrucksweise und Gepflogenheiten der damaligen Bevölkerung - war für mich ein weiterer Grund. Dazu kommt natürlich auch, dass ich als geborene Bambergerin die Stadt kenne wie meine Westentasche und immer noch einen starken Bezug zu Bamberg habe. Es ist meine Heimat, obwohl ich schon so viele Jahre nicht mehr dort lebe. Aber immer, wenn ich durch die kleinen Gassen streife, fühle ich mich auch zurückversetzt - zwar nicht um 300 Jahre, aber in meine Kinder- und Jugendzeit. Von daher bedeutet Bamberg auch für mich immer wieder eine kleine „Zeitreise“.

webcritics: Vielen Dank für das Gespräch.