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In Zeiten des abnehmenden Lichts


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

In Zeiten des abnehmenden Lichts Das einzige, was ich diesem großartigen Familienroman vorwerfen möchte, ist das etwas unspektakuläre Ende. Ansonsten gehört diese Saga zu den besten Hörbüchern, die mir in letzter Zeit untergekommen sind. Der Spannungsbogen wird klug geführt, sowohl durch die Fokussierung auf bestimmte Zeitpunkte über die Generationen hinweg, aber auch durch den geschickten Perspektivwechsel, durch den man ein und dieselbe Situation aus der Sicht der verschiedenen Familienmitglieder miterleben kann und dabei Zeuge grotesker Fehleinschätzungen aber auch anrührender Beobachtungen werden kann (so z.B. der 90. Geburtstag von Wilhelm aus der Sicht von Opa Kurt und Enkel Markus). Prägend ist zudem die unausgeglichene, zerrissene Beziehung nahezu aller Familienmitglieder zueinander. Die „deutschen“ (Ur-)Großeltern Wilhelm und Charlotte sind sich untereinander nicht grün und in Missachtung verbunden, was am Ende sogar im Mord kulminiert; deren Kind Kurt und seine russische Frau Irina leben sich letzten Endes doch in kultureller Unterschiedlichkeit auseinander. Irinas Mutter Nadjeshda Iwanowna gibt das drollige Maskottchen aus der russischen Provinz, die ihrer Tochter in Deutschland auf die Nerven geht und ansonsten mit lebensfroher Gleichgültigkeit und einfachen Weisheiten amüsiert. Alexander, der Sohn von Irina und Kurt, ist Anfang und Schluss der Saga gewidmet und er ist seit seiner Kindheit auf der Suche nach einem Platz im Leben und Menschen, an die er sich gerne binden möchte, aber nicht kann, was zum Teil dramatische Auswüchse annimmt. In Nebenrollen treten Alexanders geschiedene Ehefrau Melitta samt dem gemeinsamen Sohn Markus auf, der in der Pubertät dann selbst daran scheitert einerseits seinen Platz im neuen dynamischen Nachwendeleben zu finden, andererseits die Bindungslosigkeit seiner väterlichen Familie zu verarbeiten, was ihm mehr zu schaffen macht als er sich eingestehen mag. Hinzu kommen epochale und historische Umstände, durch die die Familie getrieben, gebeutelt und gezerrt wird - eigentlich ist keine Phase des 20. Jahrhunderts einmal rundweg positiv für die Protagonisten, weder der kommunistische Widerstand noch das mexikanische Exil, weder die Zeit in der russischen Verbannung noch die vermeintliche Rehabilitation in der DDR noch die Nachwendezeit. Der zusätzliche Aspekt der pointierten und feinfühligen Darstellung des Lebens in der DDR, endlich einmal ohne Stasi-Bezug, ist ein weiterer wertvoller Mosaikstein dieses Buches. Eugen Ruge besticht nicht nur durch gewaltige Sprachbilder, schöne Momentaufnahmen und lustige Einsprengsel (so z.B. den Umstand, dass sich im Lauf der Zeit Vater und Sohn in unterschiedlichen Lebensabschnitten darüber aufregen, dass der andere sein Essen getrennt nach Bestandteilen aufnimmt), sondern er führt den Leser wunderbar geschickt mittels der Sprache. Mal spielt er mit den Tempi, etwa als er im Schlusskapitel das Futur benutzt, um eigentlich Alexanders gegenwärtiges Vorsichhintreiben zu erfassen, aber auch indem er den Figuren den perfekt passenden Sprachduktus verpasst, den herrischen Ton bei Wilhelm, den genervten Gelehrten bei Kurt, die melancholische russische Seele bei Irina oder das rotzige Aufbegehren beim jungen Alexander, das sich im Lauf der Jahre nur der Rotzigkeit entledigt, aber stets ein Aufbegehren bleibt, bis er selbst nicht mehr weiß wogegen. Zu einem wahren Hörgenuss wird das Hörbuch aber vor allem durch den grandiosen Sprecher Ulrich Noethen, der jeder einzelnen Figur genau die Seele sprachlich einzuhauchen versteht, die der Autor Ruge ihr zuvor auf den Leib geschrieben hat. Also: Einfach nur empfehlenswert, abzüglich des Mankos, dass das Ende lediglich auslaufend und offen ist, aber ohne eine spannende Volte zum Schluss. Stattdessen erlebt man eine Versöhnung Alexanders mit dem Leben, was irgendwie auch beruhigend ist.

Das einzige, was ich diesem großartigen Familienroman vorwerfen möchte, ist das etwas unspektakuläre Ende. Ansonsten gehört diese Saga zu den besten Hörbüchern, die mir in letzter Zeit untergekommen sind. Der Spannungsbogen wird klug geführt, sowohl durch die Fokussierung auf bestimmte Zeitpunkte über die Generationen hinweg, aber auch durch den geschickten Perspektivwechsel, durch den man ein und dieselbe Situation aus der Sicht der verschiedenen Familienmitglieder miterleben kann und dabei Zeuge grotesker Fehleinschätzungen aber auch anrührender Beobachtungen werden kann (so z.B. der 90. Geburtstag von Wilhelm aus der Sicht von Opa Kurt und Enkel Markus). Prägend ist zudem die unausgeglichene, zerrissene Beziehung nahezu aller Familienmitglieder zueinander. Die „deutschen“ (Ur-)Großeltern Wilhelm und Charlotte sind sich untereinander nicht grün und in Missachtung verbunden, was am Ende sogar im Mord kulminiert; deren Kind Kurt und seine russische Frau Irina leben sich letzten Endes doch in kultureller Unterschiedlichkeit auseinander. Irinas Mutter Nadjeshda Iwanowna gibt das drollige Maskottchen aus der russischen Provinz, die ihrer Tochter in Deutschland auf die Nerven geht und ansonsten mit lebensfroher Gleichgültigkeit und einfachen Weisheiten amüsiert. Alexander, der Sohn von Irina und Kurt, ist Anfang und Schluss der Saga gewidmet und er ist seit seiner Kindheit auf der Suche nach einem Platz im Leben und Menschen, an die er sich gerne binden möchte, aber nicht kann, was zum Teil dramatische Auswüchse annimmt. In Nebenrollen treten Alexanders geschiedene Ehefrau Melitta samt dem gemeinsamen Sohn Markus auf, der in der Pubertät dann selbst daran scheitert einerseits seinen Platz im neuen dynamischen Nachwendeleben zu finden, andererseits die Bindungslosigkeit seiner väterlichen Familie zu verarbeiten, was ihm mehr zu schaffen macht als er sich eingestehen mag.

weitere Rezensionen von Dr. Benjamin Krenberger


Hinzu kommen epochale und historische Umstände, durch die die Familie getrieben, gebeutelt und gezerrt wird - eigentlich ist keine Phase des 20. Jahrhunderts einmal rundweg positiv für die Protagonisten, weder der kommunistische Widerstand noch das mexikanische Exil, weder die Zeit in der russischen Verbannung noch die vermeintliche Rehabilitation in der DDR noch die Nachwendezeit. Der zusätzliche Aspekt der pointierten und feinfühligen Darstellung des Lebens in der DDR, endlich einmal ohne Stasi-Bezug, ist ein weiterer wertvoller Mosaikstein dieses Buches.

Eugen Ruge besticht nicht nur durch gewaltige Sprachbilder, schöne Momentaufnahmen und lustige Einsprengsel (so z.B. den Umstand, dass sich im Lauf der Zeit Vater und Sohn in unterschiedlichen Lebensabschnitten darüber aufregen, dass der andere sein Essen getrennt nach Bestandteilen aufnimmt), sondern er führt den Leser wunderbar geschickt mittels der Sprache. Mal spielt er mit den Tempi, etwa als er im Schlusskapitel das Futur benutzt, um eigentlich Alexanders gegenwärtiges Vorsichhintreiben zu erfassen, aber auch indem er den Figuren den perfekt passenden Sprachduktus verpasst, den herrischen Ton bei Wilhelm, den genervten Gelehrten bei Kurt, die melancholische russische Seele bei Irina oder das rotzige Aufbegehren beim jungen Alexander, das sich im Lauf der Jahre nur der Rotzigkeit entledigt, aber stets ein Aufbegehren bleibt, bis er selbst nicht mehr weiß wogegen.

Zu einem wahren Hörgenuss wird das Hörbuch aber vor allem durch den grandiosen Sprecher Ulrich Noethen, der jeder einzelnen Figur genau die Seele sprachlich einzuhauchen versteht, die der Autor Ruge ihr zuvor auf den Leib geschrieben hat. Also: Einfach nur empfehlenswert, abzüglich des Mankos, dass das Ende lediglich auslaufend und offen ist, aber ohne eine spannende Volte zum Schluss. Stattdessen erlebt man eine Versöhnung Alexanders mit dem Leben, was irgendwie auch beruhigend ist.

geschrieben am 13.05.2013 | 545 Wörter | 3287 Zeichen

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