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Wider die Frau: Zu Geschichte und Funktion misogyner Rede


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Rezension von

Hiram Kümper

Wider die Frau: Zu Geschichte und Funktion misogyner Rede Dieser aufschlussreiche Band dokumentiert die Beiträge einer Berliner Tagung, die bereits im Juli 2002 stattgefunden hat. Eine solche lange Dauer vom Vortrag in den Druck kommt zu häufig vor, als dass man sie den Herausgeberinnen noch anlasten könnte, ist in diesem konkreten Fall aber besonders deshalb bedauerlich, weil in der Zwischenzeit eine Reihe einschlägiger Arbeiten erschienen sind, die leider nur noch in der Einleitung, nicht aber in den Beiträgen Berücksichtigung gefunden haben. Das meint beispielsweise Jack Hollands „Misogyny“ (2006, im gleichen Jahr auch in dt. Übersetzung) oder auch den Sammelband von Britta Zangen („Misogynism in Literature“, 2004). Ferner sind einige größere Forschungsarbeiten, aus deren Atelier heraus einzelne Beiträge entstanden sind, mittlerweile abgeschlossen und publiziert, damit natürlich unter Umständen die hier vorgelegten Aufsätze vom Stand 2002 ein stückweit überholt. Denn nur vereinzelt ist zwischenzeitlich erschienene Literatur nachgepflegt worden. Der Band hat sich vorgenommen, „Misogynie als plurales und facettenreiches Phänomen“ (S. 3), als eine „Superstruktur der Geschichte“ (S. 8) aufzuarbeiten. Das richtet sich explizit gegen ältere Ansätze, die darin einen simplen Machtmotor und -perpetuator patriarchaler Grundstukturen erblickten. In ihrer lesenswerten Einleitung machen die Herausgeberinnen dagegen die unterschiedlichen Ausprägungen, Bezüge und Funktionen misogyner Rede als Diskursphänomen stark. In einem „erste[n] Versuch einer Klassifizierung“ (S. 8ff.) unterscheiden sie dabei vier grundlegende Modi, die sich im konkreten Einzelfall ggf. überschneiden können und zugleich die Sektionen markieren, denen sich die einzelnen Beiträge zuordnen: (1.) die „Grenzziehung“, die klare Demarkationslinien zwischen Eigenem und Fremden setzt, (2.) die „Generierung kultureller Ordnungen“, wie die Aufladung der Geschlechterdichotomie mit entsprechenden Geschlechterrollen, (3.) die Produktion von „Identität und Rolle“ als „Spiegelregeln und Kommunikationsmuster“ in der konkreten Kommunikation, sowie schließlich (4.) die „Weibliche Rollenklärung und Erweiterung der Grenzen“, womit misogyne Rede von Frauen thematisiert wird. Ich verzichte darauf, jeden der sechzehn Einzelbeiträge hier anzuführen. Lediglich auf einige besonders lesenswerte sei hingewiesen, um das Spektrum aufzuzeigen, ohne die anderen Beiträge dadurch abzuwerten: So arbeitet sich beispielsweise Claudia Opitz an misogynen Dimensionen der Dämonologie Jean Bodins ab. Das ist ein Aspekt, den sie auch in ihrer vor wenigen Jahren erschienen Studie „Das Universum des Jean Bodin“ (2006, S. 131-148) wieder aufgegriffen hat – allerdings leider über weite Strecken wortgleich und mit nur sehr indirektem Verweis in der hier vorliegenden Fassung (S. 36). Dies also ist einer der unschönen Nebeneffekte, die die lange Verzögerung zwischen Tagung und Drucklegung bedingt hat. Sei es, wie es sei: es bleibt ein spannender Beitrag. Nicht minder spannend sind die Lektüren von Ulrike Wels, die sich mit Johann Beers Roman „Bestia Civitatis“ von 1681 und der Funktion misogyner Rede als religiöser Zeitkritik auseinandersetzt. Gleich zwei musikwissenschaftliche Beiträge erweitern das Spektrum auf für ähnliche Tagungsprojekte durchaus nicht alltägliche Weise. Während Rebecca Grotjahn der Funktion misogyner Rede in Mozarts „Zauberflöte“ und von dort übertragen für die Konstitution der sich herausbildenden bürgerlichen Gesellschaft nachgeht, beschäftigt sich Achim Stricker mit der „’Neutralisierung’ der Sängerin“ in der Aufführungspraxis des 16. und 17. Jahrhunderts. Svenja Flaßpöhler schließlich geht der Tabuisierung weiblicher Lust in der Pornographie des 20. und 21. Jahrhunderts und damit einem Aspekt ihrer spannenden, mittlerweile abgeschlossenen und im Druck erschienenen Münsteraner Dissertation („Der Wille zur Lust“, 2007) nach. Insgesamt liegt der deutliche Schwerpunkt des Bandes auf der Zeit bis etwa 1900, nicht einmal ein Drittel der Beiträge behandelt das 20. bzw. 21. Jahrhundert. Umso besser ergänzt er die Aufsätze in dem oben erwähnten Sammelband von Britta Zangen, der hauptsächlich die Moderne in den Blick nimmt.

Dieser aufschlussreiche Band dokumentiert die Beiträge einer Berliner Tagung, die bereits im Juli 2002 stattgefunden hat. Eine solche lange Dauer vom Vortrag in den Druck kommt zu häufig vor, als dass man sie den Herausgeberinnen noch anlasten könnte, ist in diesem konkreten Fall aber besonders deshalb bedauerlich, weil in der Zwischenzeit eine Reihe einschlägiger Arbeiten erschienen sind, die leider nur noch in der Einleitung, nicht aber in den Beiträgen Berücksichtigung gefunden haben. Das meint beispielsweise Jack Hollands „Misogyny“ (2006, im gleichen Jahr auch in dt. Übersetzung) oder auch den Sammelband von Britta Zangen („Misogynism in Literature“, 2004). Ferner sind einige größere Forschungsarbeiten, aus deren Atelier heraus einzelne Beiträge entstanden sind, mittlerweile abgeschlossen und publiziert, damit natürlich unter Umständen die hier vorgelegten Aufsätze vom Stand 2002 ein stückweit überholt. Denn nur vereinzelt ist zwischenzeitlich erschienene Literatur nachgepflegt worden.

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Der Band hat sich vorgenommen, „Misogynie als plurales und facettenreiches Phänomen“ (S. 3), als eine „Superstruktur der Geschichte“ (S. 8) aufzuarbeiten. Das richtet sich explizit gegen ältere Ansätze, die darin einen simplen Machtmotor und -perpetuator patriarchaler Grundstukturen erblickten. In ihrer lesenswerten Einleitung machen die Herausgeberinnen dagegen die unterschiedlichen Ausprägungen, Bezüge und Funktionen misogyner Rede als Diskursphänomen stark. In einem „erste[n] Versuch einer Klassifizierung“ (S. 8ff.) unterscheiden sie dabei vier grundlegende Modi, die sich im konkreten Einzelfall ggf. überschneiden können und zugleich die Sektionen markieren, denen sich die einzelnen Beiträge zuordnen: (1.) die „Grenzziehung“, die klare Demarkationslinien zwischen Eigenem und Fremden setzt, (2.) die „Generierung kultureller Ordnungen“, wie die Aufladung der Geschlechterdichotomie mit entsprechenden Geschlechterrollen, (3.) die Produktion von „Identität und Rolle“ als „Spiegelregeln und Kommunikationsmuster“ in der konkreten Kommunikation, sowie schließlich (4.) die „Weibliche Rollenklärung und Erweiterung der Grenzen“, womit misogyne Rede von Frauen thematisiert wird.

Ich verzichte darauf, jeden der sechzehn Einzelbeiträge hier anzuführen. Lediglich auf einige besonders lesenswerte sei hingewiesen, um das Spektrum aufzuzeigen, ohne die anderen Beiträge dadurch abzuwerten: So arbeitet sich beispielsweise Claudia Opitz an misogynen Dimensionen der Dämonologie Jean Bodins ab. Das ist ein Aspekt, den sie auch in ihrer vor wenigen Jahren erschienen Studie „Das Universum des Jean Bodin“ (2006, S. 131-148) wieder aufgegriffen hat – allerdings leider über weite Strecken wortgleich und mit nur sehr indirektem Verweis in der hier vorliegenden Fassung (S. 36). Dies also ist einer der unschönen Nebeneffekte, die die lange Verzögerung zwischen Tagung und Drucklegung bedingt hat. Sei es, wie es sei: es bleibt ein spannender Beitrag. Nicht minder spannend sind die Lektüren von Ulrike Wels, die sich mit Johann Beers Roman „Bestia Civitatis“ von 1681 und der Funktion misogyner Rede als religiöser Zeitkritik auseinandersetzt. Gleich zwei musikwissenschaftliche Beiträge erweitern das Spektrum auf für ähnliche Tagungsprojekte durchaus nicht alltägliche Weise. Während Rebecca Grotjahn der Funktion misogyner Rede in Mozarts „Zauberflöte“ und von dort übertragen für die Konstitution der sich herausbildenden bürgerlichen Gesellschaft nachgeht, beschäftigt sich Achim Stricker mit der „’Neutralisierung’ der Sängerin“ in der Aufführungspraxis des 16. und 17. Jahrhunderts. Svenja Flaßpöhler schließlich geht der Tabuisierung weiblicher Lust in der Pornographie des 20. und 21. Jahrhunderts und damit einem Aspekt ihrer spannenden, mittlerweile abgeschlossenen und im Druck erschienenen Münsteraner Dissertation („Der Wille zur Lust“, 2007) nach.

Insgesamt liegt der deutliche Schwerpunkt des Bandes auf der Zeit bis etwa 1900, nicht einmal ein Drittel der Beiträge behandelt das 20. bzw. 21. Jahrhundert. Umso besser ergänzt er die Aufsätze in dem oben erwähnten Sammelband von Britta Zangen, der hauptsächlich die Moderne in den Blick nimmt.

geschrieben am 08.08.2009 | 561 Wörter | 3732 Zeichen

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