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Solitäre und Netzwerker


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Solitäre und Netzwerker Unter dem Titel „Solitäre und Netzwerker. Akteure des kulturpolitischen Konservativismus nach 1945 in den Westzonen Deutschlands“ fand im Juni 2007 eine Konferenz am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Die Beiträge sind nun versammelt in einem unscheinbaren Paperbackband. Anspruch der Veranstaltung war, eine breite und fachübergreifende Perspektive auf konservative Denkrichtungen in den Westzonen des jungen Nachkriegsdeutschlands zu präsentieren. Erhard Schütz, Lehrstuhlinhaber für neuere deutsche Literatur, wollte in Kooperation mit Peter Hohendahl von der Cornell University in Ithaca, New York, nach „der ‚kulturkonservativen Durchdringung’ der frühen Bundesrepublik“ fragen. Nehmen wir das Ergebnis vorweg, denn es ist erschreckend dünn. Emblematisch genannt sei der Aufsatz von Rainer Rutz. Er soll die Kontinuität belegen der einflussreichen Journalisten von Drittem Reich und neugegründeter Bundesrepublik. Sein Text ist eine Aufzählung von leitenden Mitarbeitern der NS-Propagandaillustrierten ‚Signal’ und eine Benennung ihrer späteren – also Nachkriegs-Positionen. Tatsächlich wird dadurch deutlich, dass von einem Neuanfang in personeller Hinsicht im Westdeutschland nach 1945 nicht die Rede sein kann. Anstatt indessen noch den x-ten Signal-Redakteur zu benennen und sich darüber zu mokieren, dass dieser bei ‚Revue’ oder ‚Quick’ unterkam, hätte der Autor sich fragen sollen, warum dies so war. Das erfährt der Leser quasi nur in einem Nebensatz; die Rendite wäre den Verlegern wichtiger gewesen als alles andere. Das mag stimmen, genügt aber in einem wissenschaftlichen Zusammenhang nicht zum Bestehen. Warum haben die Alliierten dies zugelassen oder welche Qualifikationen und Kontakte waren das Pfund der Betreffenden, - hätte hier problematisiert werden müssen. Völlig fehlt, welche Persönlichkeiten von den Westalliierten Presselizenzen bekamen. Auf diesem Niveau finden leider die meisten Beiträge statt. Der Leser erwartet Einblicke darin, wie sich die ‚konservativen’ Solitäre wie Martin Heidegger, Carl Schmitt und Ernst Jünger vernetzten. Wie sie versuchten, sich mit der neuen Situation eines besetzten Gebietes und dann verwestlichten Staates arrangierten, respektive dies versuchten. Der Aufsatz über Margret Boveri ist eine weitere reine Aufzählung. Aufgezählt werden die devoten Unterwerfungen, Annäherungs- und Anbiederungsversuche der profilierten Journalistin gegenüber dem ‚Solitär’ Ernst Jünger. Zu der magnetischen Gegenseite, dem Adressaten der Briefe und übersandten Bücher, Ernst Jünger, dem Umworbenen, bekommt Autor Roland Berbig kein Gefühl. Im Gegenteil. Der Text widerspricht einem wissenschaftlichen Anspruch schon dadurch, dass der Leser permanent mit dessen sarkastischen Kommentierungen konfrontiert wird. Damit gemeint ist nicht, dass die Interpretation von Berbig, ebenfalls Professor für neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, abwegig sei. Die ständigen giftigen Zwischenbemerkungen sprechen jedoch jedweder Forschung hohn und sind ein Indiz dafür, dass man sich mit einem Gegenstand beschäftigt, ja beschäftigen muss, weil er zurzeit en vogue ist, - den man eigentlich zutiefst ablehnt. So liest man die Formulierung, Jünger habe mit „gnädigem Bedacht“ (S. 91) eine Vorstellung Boveris aufgenommen oder Jünger habe seine Hoffnung, die Journalistin möge einmal wieder ein Buch schreiben, „in gezielter Beiläufigkeit“ (92) geäußert. In den vergangenen Jahren ist eine Reihe von mehr oder weniger bedeutenden Büchern über Ernst Jünger und über die hier debattierten Kreise erschienen. Sie sind durchaus von unterschiedlicher Qualität. Dennoch sind einige darunter, die die bisherigen Schuhkartonschablonen von rechts und links, von richtig und falsch oder einer pubertären Belehrung hinter sich lassen. Beispielhaft genannt sei die herausragende Biographie über Carl Schmitt von Christian Linder. Sie hat nichts gemein mit restaurativer Gesinnung oder staubigem Vongesternsein. Der Autor, der ein Jahr darauf eine Biographie über Heinrich Böll veröffentlichte, kann als Indiz für ein neues Zeitalter gelten: Jeder Interessierte hat von der Lektüre dieser Annäherungen mehr als von einer solchen Ringvorlesung einer geisteswissenschaftlichen Fakultäten.

Unter dem Titel „Solitäre und Netzwerker. Akteure des kulturpolitischen Konservativismus nach 1945 in den Westzonen Deutschlands“ fand im Juni 2007 eine Konferenz am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Die Beiträge sind nun versammelt in einem unscheinbaren Paperbackband. Anspruch der Veranstaltung war, eine breite und fachübergreifende Perspektive auf konservative Denkrichtungen in den Westzonen des jungen Nachkriegsdeutschlands zu präsentieren.

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Erhard Schütz, Lehrstuhlinhaber für neuere deutsche Literatur, wollte in Kooperation mit Peter Hohendahl von der Cornell University in Ithaca, New York, nach „der ‚kulturkonservativen Durchdringung’ der frühen Bundesrepublik“ fragen.

Nehmen wir das Ergebnis vorweg, denn es ist erschreckend dünn. Emblematisch genannt sei der Aufsatz von Rainer Rutz. Er soll die Kontinuität belegen der einflussreichen Journalisten von Drittem Reich und neugegründeter Bundesrepublik. Sein Text ist eine Aufzählung von leitenden Mitarbeitern der NS-Propagandaillustrierten ‚Signal’ und eine Benennung ihrer späteren – also Nachkriegs-Positionen. Tatsächlich wird dadurch deutlich, dass von einem Neuanfang in personeller Hinsicht im Westdeutschland nach 1945 nicht die Rede sein kann. Anstatt indessen noch den x-ten Signal-Redakteur zu benennen und sich darüber zu mokieren, dass dieser bei ‚Revue’ oder ‚Quick’ unterkam, hätte der Autor sich fragen sollen, warum dies so war. Das erfährt der Leser quasi nur in einem Nebensatz; die Rendite wäre den Verlegern wichtiger gewesen als alles andere. Das mag stimmen, genügt aber in einem wissenschaftlichen Zusammenhang nicht zum Bestehen. Warum haben die Alliierten dies zugelassen oder welche Qualifikationen und Kontakte waren das Pfund der Betreffenden, - hätte hier problematisiert werden müssen. Völlig fehlt, welche Persönlichkeiten von den Westalliierten Presselizenzen bekamen.

Auf diesem Niveau finden leider die meisten Beiträge statt. Der Leser erwartet Einblicke darin, wie sich die ‚konservativen’ Solitäre wie Martin Heidegger, Carl Schmitt und Ernst Jünger vernetzten. Wie sie versuchten, sich mit der neuen Situation eines besetzten Gebietes und dann verwestlichten Staates arrangierten, respektive dies versuchten. Der Aufsatz über Margret Boveri ist eine weitere reine Aufzählung. Aufgezählt werden die devoten Unterwerfungen, Annäherungs- und Anbiederungsversuche der profilierten Journalistin gegenüber dem ‚Solitär’ Ernst Jünger. Zu der magnetischen Gegenseite, dem Adressaten der Briefe und übersandten Bücher, Ernst Jünger, dem Umworbenen, bekommt Autor Roland Berbig kein Gefühl. Im Gegenteil. Der Text widerspricht einem wissenschaftlichen Anspruch schon dadurch, dass der Leser permanent mit dessen sarkastischen Kommentierungen konfrontiert wird. Damit gemeint ist nicht, dass die Interpretation von Berbig, ebenfalls Professor für neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, abwegig sei. Die ständigen giftigen Zwischenbemerkungen sprechen jedoch jedweder Forschung hohn und sind ein Indiz dafür, dass man sich mit einem Gegenstand beschäftigt, ja beschäftigen muss, weil er zurzeit en vogue ist, - den man eigentlich zutiefst ablehnt. So liest man die Formulierung, Jünger habe mit „gnädigem Bedacht“ (S. 91) eine Vorstellung Boveris aufgenommen oder Jünger habe seine Hoffnung, die Journalistin möge einmal wieder ein Buch schreiben, „in gezielter Beiläufigkeit“ (92) geäußert.

In den vergangenen Jahren ist eine Reihe von mehr oder weniger bedeutenden Büchern über Ernst Jünger und über die hier debattierten Kreise erschienen. Sie sind durchaus von unterschiedlicher Qualität. Dennoch sind einige darunter, die die bisherigen Schuhkartonschablonen von rechts und links, von richtig und falsch oder einer pubertären Belehrung hinter sich lassen. Beispielhaft genannt sei die herausragende Biographie über Carl Schmitt von Christian Linder. Sie hat nichts gemein mit restaurativer Gesinnung oder staubigem Vongesternsein. Der Autor, der ein Jahr darauf eine Biographie über Heinrich Böll veröffentlichte, kann als Indiz für ein neues Zeitalter gelten: Jeder Interessierte hat von der Lektüre dieser Annäherungen mehr als von einer solchen Ringvorlesung einer geisteswissenschaftlichen Fakultäten.

geschrieben am 05.11.2009 | 568 Wörter | 3699 Zeichen

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