ISBN | 3832934413 | |
Autoren | Dagmar Kaiser , Klaus Schnitzler , Peter Friederici | |
Verlag | Nomos | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 2700 | |
Erscheinungsjahr | 2010 | |
Extras | - |
Der umfangreiche Kommentar zum Familienrecht ist nach dem Wechsel des Anwaltskommentars BGB zum Nomos-Verlag als Band 4 der NK-BGB-Reihe in zweiter Auflage neu erschienen, zum Glück unter denselben Herausgebern, die schon in der ersten Auflage für Qualität und Lesefreude gesorgt haben. Auf bald 2700 Seiten werden alle Bereiche des im BGB geregelten Familienrechts sowie Gewaltschutzgesetz, Versorgungsausgleichsgesetz und Lebenspartnerschaftsgesetz kommentiert. Außerdem geben die Autoren einen Überblick über die Rechtslage in anderen Staaten.
Die Zusammensetzung des Autorenteams ist vielfältig und vereint Justiz, Wissenschaft und Anwaltschaft in ausgewogener Weise. Die Gestaltung des Kommentars bietet viele klassische Elemente mit einem Fließtext ohne Abkürzungen und zahlreichen Fußnoten mit zusätzlichen Informationen und Fundstellen. Die Literaturangaben und Gliederungen vor den Paragraphen geben dem Leser eine kompakte Übersicht zum Thema. Die Hervorhebungstechnik ist gelungen und sogar graphische und tabellarische Elemente finden sich innerhalb der Kommentierungen. Dazu mangelt es auch nicht an Beispielen für die Vertragsgestaltung oder andere Formulierungen. Auch Rechenbeispiele, etwa für Unterhalt oder Zugewinnausgleich, werden angeboten. Insgesamt eine für einen Kommentar beeindruckende Vielfalt an Aufmerksamkeitselementen für den Leser.
Vorbildlich an diesem Kommentar ist zudem, dass gerade die ausbildungsrelevanten Bereiche des (materiellen) Familienrechts ausführlich und eng an der Rechtsprechung kommentiert werden. Dies betrifft nicht nur Standardprobleme des Referendarexamens, sondern auch beliebte Klausurkonstellationen im Assessorexamen. Sehr schön beschrieben sind etwa die Rechtsfragen im „AT“ des Familienrechts, also rund um die Schlüsselgewalt, die Anwendung auf die schuldrechtliche und sachenrechtliche Ebene, die Möglichkeiten der Nichtigkeit von Vereinbarungen nach §§ 1365 und 1369 BGB oder die Berechnung des Zugewinns im gesetzlichen Güterstand. Gerade dazu werden sowohl die Subtraktion des Anfangs- vom Endvermögen, als auch die Abzüge bei Vorausempfängen gut nachvollziehbar aufgebaut. Die Gestaltung und Formbedürftigkeit eines Ehevertrages ist mit nationalen und internationalen Aspekten versehen und auch steuerrechtliche Überlegungen werden in angemessener Weise präsentiert. Im Eherecht werden die Scheidungsvoraussetzungen instruktiv aufgeführt und der Abschnitt zum Scheidungsunterhalt ist einer der Höhepunkte der Kommentierung in diesem Band. Dies bezieht sich nicht nur auf die Verständlichkeit der Erläuterungen, sondern auch auf die gelungene Inkorporation der zahlreichen Änderungen des Unterhaltsrechts. Dass wie nebenbei zahlreiche prozessuale Probleme mit angesprochen werden, Vollstreckungsrecht oder ausländisches Recht ebenso Eingang in die Darstellung finden und dazu wie selbstverständlich die Kasuistik des Bundesgerichtshofes erfasst wird, ist eine Herausforderung an jeden Autor und wurde hier durch die engagierten Bearbeiter sehr gut gemeistert. Gerade die Umstellung des Familienverfahrensrechts wurde, wenn angezeigt, im Kommentar aufgegriffen, sodass das Familienrecht zwar immer als Sondermaterie erscheint, aber keineswegs undurchdringlich, ein wichtiger Aspekt für Leser in Ausbildung.
Lehrreich, gerade wegen der vielen praktischen Rückbezüge innerhalb der Darstellung, sind auch die Ausführungen zur Ausübung des Sorgerechts durch die verheirateten oder getrennt lebenden Eltern mit den einzelnen Anforderungen an Personen- und Vermögenssorge. Auch die Voraussetzungen, die vor einer Entscheidung des Familiengerichts nach § 1666 BGB eingehalten werden müssen, sind präzise erfasst und abgewogen. Im Rahmen des Verwandtschaftsrechts darf für studentische Belange noch auf die Kommentierung zu genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäften hingewiesen werden, wo die Zusammenhänge mit dem Vormundschaftsrecht gut herausarbeitet werden. Für Studenten und Referendare generell zur Lektüre zu empfehlen sind zudem die gut geschriebenen Einleitungen vor den großen Themenblöcken, um ein Gesamtbild visualisieren zu können.
Aus praktischer Sicht nach wie vor sehr erfreulich ist die ausführliche Bearbeitung des Betreuungsrechts. Dieses ist natürlich nur selten Gegenstand der Ausbildung, abgesehen vom gut kommentierten Einwilligungsvorbehalt oder der selten geprüften Ergänzungspflegschaft, aber die Betätigung als rechtlicher Betreuer ist für manchen Referendar oder jungen Rechtsanwalt interessant, wenn die Gebühren anderweitig noch nicht so recht sprudeln wollen. Die vielen medizinischen und verfahrensrechtlichen Fragestellungen, die innerhalb der Betreuung aufgeworfen werden, sind hier rundum verständlich erfasst und durch konkrete Formulierungsvorschläge wird die Anwendung der Materie direkt ermöglicht. Hierbei ist auch der Abschnitt zur Patientenverfügung lobend zu erwähnen. Selbst kleinere Verfahrensprobleme, die durchaus einmal im Rahmen einer mündlichen Prüfung getestet werden können, sind anschaulich aufbereitet, etwa die Genehmigung einer ausländischen Ehe durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts oder die prozessuale Geltendmachung der Rechte des Ehegatten aus § 1368 BGB in gesetzlicher Prozessstandschaft. Ebenfalls gelungen ist die Thematisierung der Auskunftsansprüche der einzelnen Familiensachen, gerade unter dem Aspekt der Neuregelung des FamFG und den Änderungen etwa beim Unterhaltsrecht.
Dieser Kommentar ist, wenngleich er auch maßgeblich in der Praxis zur Anwendung kommen wird, für die juristische Ausbildung nach wie vor eine echte Bereicherung. Gerade wer sich im Wahlfach mit dem Familienrecht beschäftigt, sollte auf die Benutzung dieses Werks nicht verzichten. Die wissenschaftliche Arbeit, selbst bei nur punktueller Nachschau, ist mit diesem Kommentar ebenso möglich wie die Arbeit am praktischen Fall. Eine gelungene Neuauflage.
geschrieben am 09.09.2010 | 737 Wörter | 5202 Zeichen
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