ISBN | 3257069286 | |
Autor | Martin Walker | |
Verlag | Diogenes | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 432 | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Extras | - |
Mon dieu, mein erster Bruno-Roman. Leider bin ich erst mit dem siebten Fall des Chef de Police in Saint-Denis eingestiegen, unter anderem nach mehrfacher Empfehlung anderer begeisterter Leser. Und ich kann sagen: sowohl die LektĂŒre des Buches, aber noch mehr das Hörbuch, beides im Diogenes-Verlag erschienen, haben sich gelohnt.
ZunĂ€chst kurz zum Inhalt: Bruno ist in diesem Roman gleich mit mehreren âFĂ€llenâ konfrontiert. Zum einen wird ein junger MitbĂŒrger der Stadt, Sami, in Afghanistan aufgefunden und durch das dort stationierte MilitĂ€r ausgeflogen. Er ist Autist und erst beim Wiedersehen mit Bruno, den er von Kindesbeinen auf kennt, taut er wieder auf. Parallel ist aber auch ein Mord an einem Geheimdienstmitarbeiter zu beklagen und das in Brunos beschaulicher Ortschaft. Und das alles noch kurz vor der Weinlese. Als dann auch noch unbekannte Djihadisten aus einer Moschee in Toulouse in Saint-Denis auftauchen, um nach Sami und dessen Adoptiveltern zu suchen, nimmt das Ganze richtig Fahrt auf und erste Konturen zeichnen sich ab: Sami wurde offenbar nach Afghanistan verbracht, um dort aufgrund seiner technischen FĂ€higkeiten Bomben und ZĂŒndmechanismen zu kreieren. Er wurde dort unter dem Namen âDer Ingenieurâ bekannt, ohne dass man seine IdentitĂ€t aufklĂ€ren konnte. Ihm gelang aber die Flucht und nun interessieren sich nicht nur die Geheimdienste der in Afghanistan stationierten Truppen fĂŒr ihn, sondern auch diejenigen, die ihn in den Osten verbracht hatten. Sami muss versteckt, begutachtet und vernommen werden, Bruno wird vom Brigadier des Geheimdienstes mit einbezogen, um die SicherheitsmaĂnahmen zu koordinieren. Gleich zu Beginn gibt es SchieĂereien und Tote, als weitere Abgesandte der Moschee zunĂ€chst ein Kind in ihre Gewalt bringen und dann noch den Aufenthaltsort von Sami in Schutt und Asche zu legen versuchen. Ganz nebenbei muss sich Bruno auch noch um ein mysteriöses Testament kĂŒmmern, das Saint-Denis fĂŒr den Fall, dass eine GedenkstĂ€tte fĂŒr dort im zweiten Weltkrieg versteckte und deshalb gerettete jĂŒdische Kinder errichtet wird, eine stattliche Zuwendung verspricht. Aber wer das gewesen sein soll, Kinder und Retter, muss zunĂ€chst aufwĂ€ndig aufgeklĂ€rt werden, und die Stifterin aus Israel will mit ihrem Enkel auch noch vorbeikommen, um die PlĂ€ne der kleinen Gemeinde selbst zu prĂŒfen und die Orte ihres damaligen Aufenthalts wieder aufzusuchen. Und darĂŒber hinaus muss sich Bruno auch mit seinem Privatleben in ordentlichem MaĂe befassen: seine Freundin Pamela hat sich seit ihrem Reitunfall verĂ€ndert und ist deutlich unberechenbarer und weniger zugĂ€nglich geworden, die Ărztin Fabiola scheint mit ihrem neuen Freund Schwierigkeiten zu haben und noch mehr mit einem der Gutachter von Sami - und auch die im Fall agierende FBI-Agentin Nancy Sutton ist an Bruno in deutlich stĂ€rkerem MaĂe interessiert â und umgekehrt â als man das hĂ€tte erwarten dĂŒrfen. Und das, obwohl (oder auch weil?) sie mit Brunos frĂŒherer Freundin Isabelle bekannt ist. Eine ziemlich vielschichtige Gemengelage also, die nicht nur in weitere hochdramatische Auseinandersetzungen mĂŒndet, sondern auch viele der Beteiligten psychisch erheblich fordert. Das Schlusskapitel bietet dann einen heftigen, aber gut platzierten Showdown, und der Epilog versorgt den Leser zusĂ€tzlich mit der Auflösung der ĂŒbrigen HandlungsstrĂ€nge der Geschichte.
Anfangs dachte ich, dass dieser Krimi etwas ĂŒberfrachtet ist: die groĂe Welt des internationalen Terrorismus und der Geheimdienste kommt in einem beschaulichen Ărtchen im PĂ©rigord zusammen, parallel dazu gibt es den den kleinen Ort ebenfalls ĂŒberragenden historischen Zusammenhang zu zweitem Weltkrieg, RĂ©sistance und der Rettung jĂŒdischer Kinder, und dann noch die Bruno-typischen Passagen ĂŒber sein Privatleben, die lĂ€ndlichen GenĂŒsse, KochkĂŒnste und die Beschaulichkeit der Provinz. Aber: es passt alles gut zusammen, im Hörbuch noch mehr als im gedruckten Buch. Denn diese Kollision der nicht zusammenpassenden Welten wird gekonnt gemeistert und die Lösungen der auftretenden Konflikte wirken realistisch und den UmstĂ€nden entsprechend nachvollziehbar. Insbesondere die Probleme, alle Ereignisse zeitlich zu begreifen und zu koordinieren, die Abstimmung der beteiligten Interessengruppen und daneben die Reaktionen von Presse und Bevölkerung, all das ergibt ein rundes Gesamtbild und unterstĂŒtzt die spannende Grundhandlung. NatĂŒrlich lebt die Geschichte auch von Schwarz-WeiĂ-Elementen, gerade wenn es um die AktivitĂ€ten der Islamisten geht, aber es ist ein fiktiver Roman, der dem Autor die entsprechenden Gestaltungsfreiheiten lĂ€sst und gerade eben nicht der political correctness unterliegt.
Das einzige, was mich stört, wiederum mehr am Hörbuch als am gedruckten Roman, ist die Ăbernahme so vieler französischer Worte und Begriffe. Manches erschlieĂt sich durchaus von selbst, aber gerade Fachbezeichnungen aus dem Verwaltungs-, MilitĂ€r- und Polizeibereich werden quasi als bekannt vorausgesetzt und auch kulinarische Begriffe purzeln immer einmal wieder durch die Dialoge und Passagen, ohne dass diese nĂ€her erlĂ€utert werden. Es geht im Ergebnis nichts verloren vom Roman im Ganzen, aber darauf sollte man bei der Ăbersetzung bzw. beim Lektorat schon genauer achten.
Ganz begeistert bin ich in jedem Fall von der Hörbuchfassung. Bei einigen frĂŒheren Einspielungen des Sprechers Johannes Steck war ich nicht so angetan, gerade wenn es um Frauenstimmen ging. Das ist bei diesem Hörbuch aber hervorragend umgesetzt und die bei ihm ohnehin stark gesprochenen MĂ€nnerfiguren versieht er je mit einer eigenen Tonlage, was dem Ganzen eine zusĂ€tzliche Dramatik verleiht. Auch die Spannungsmomente werden stimmlich exzellent ĂŒbertragen.
Insgesamt also eine klare und nachdrĂŒckliche Empfehlung, auch fĂŒr Bruno-Einsteiger, und vor allem fĂŒr das Hörbuch.
geschrieben am 03.07.2015 | 835 Wörter | 5062 Zeichen
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