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Strafgesetzbuch


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Strafgesetzbuch Knapp sieben Jahre nach dem Debüt erscheint nun die zweite Auflage des „blauen“ Kommentars zum StGB im Vahlen Verlag. Nun hatten die Herausgeber nicht nur den Wechsel einiger Autoren zu bewältigen, sondern auch eine durchaus rege Tätigkeit des Gesetzgebers zu verarbeiten, ganz zu schweigen von der lebhaften Judikative. Auf über 3000 Seiten inklusive Verzeichnissen werden die Normen des StGB nun aufbereitet. Dabei setzt der Kommentar, so schon die Bewerbung auf der Banderole, auf einen Schwerpunkt im Wirtschaftsstrafrecht, dazu später. Die Arbeit mit dem Werk wird äußerlich von guten Vorzeichen getragen. Trotz des großen Umfangs und der Erforderlichkeit des Einsatzes von dünnem Papier ist der Kommentar handlich im Umgang und angenehm zu lesen. Die Textpassagen sind mit genug Abständen untergliedert, ein echtes Fußnotensystem erlaubt die durchgängige Lektüre und interne Verweisungen vermeiden unnötige Wiederholungen. Der Fettdruck wird mitunter ein wenig abundant eingesetzt, aber dies ist optisch zu verschmerzen. Die Kommentierungen selbst bieten den Rechtsanwendern den inzwischen gängigen gehobenen Standard, dass neben der Erläuterung der eigentlichen Norm auch Abschnitte zu Konkurrenzen, Rechtsfolgen, Prozessualem und sonstigen Problemen zu finden sind. Das ist nicht nur für den Praktiker unabdingbar, sondern auch ein gutes Hilfsmittel für Studenten und Referendare, die frühzeitig dazu gebracht werden müssen, über den Tellerrand von Definition und Subsumtion zu blicken. Die klassischen Streitfragen zwischen Rechtsprechung und Literatur könnten einheitlicher bearbeitet werden. So arbeitet die Kommentierung zu § 211 StGB die Problematik zwischen Mord und Totschlag akribisch und gut nachvollziehbar auf, wobei sich der Kommentar klar auf die Seite der „h.L.“ schlägt. Die dazu gehörenden Folgefragen in § 28 StGB hätten jedoch mit dieser Debatte stärker verknüpft werden können, es erfolgt aber nicht einmal ein Verweis auf die Kommentierungen bei § 211. Zudem werden bei § 28 lediglich Standpunkte aufgezählt, aber es wird keine eigene Meinung postuliert. In den Kommentierungen vor § 211 erfolgt ebenfalls kein interner Verweis auf die Kommentierung zu § 28. Beide Normen werden von Professoren bearbeitet. Bei § 249 StGB wiederum, der von einem Praktiker kommentiert wird, wird gar nicht ernsthaft in Frage gestellt, dass die Abgrenzung, die die Rechtsprechung zwischen Raub und Erpressung zieht, die Richtige ist, obwohl dies von der Literatur anders gesehen wird. Hier wäre es Aufgabe der Herausgeber und des Lektorats, solche Spannungsfelder zu entdecken und zu entschärfen, da es für den Rechtsanwender wenig Sinn ergibt, wenn der Kommentar sich in solchen Fragen nicht entweder einheitlich aufstellt oder zumindest für die Darstellung eines Problemkomplexes eine kohärente Aufbereitung anbietet: Entweder möchte man einen Kommentar für die Praxis schaffen, der sich dann klar am BGH orientieren muss. Oder man schreibt einen vornehmlich wissenschaftlichen Kommentar, der (auch) für den Ausbildungsbereich genutzt werden kann. Den schon erwähnten Schwerpunkt im Wirtschaftsstrafrecht kann man leicht anhand der einschlägigen Normen nachvollziehen. So darf allein die Kommentierung zu § 263 StGB mit über 200 Seiten aufwarten, wobei sogar der Diesel-Skandal mit aufgenommen wurde (Rn. 46a ff.), aber als solcher leider nicht im Sachverzeichnis zu finden ist. Die Untreue wird ebenfalls breit angelegt und darf fast 100 Seiten an Kommentierung beanspruchen. Die Einzelheiten aber auch die Divergenzen der Rechtsprechung werden hierbei gut aufgegriffen und mit Aufzählungen belegt (Rn. 36 ff.), ebenso wird aber auch das Spannungsfeld neuer Berufsgruppen wie der des Compliance-Beauftragten bei der Frage des Begehens durch Unterlassen (Rn. 84 ff.) behandelt. Sehr interessant ist auch die Lektüre der neu eingefügten Randnummern zur Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB (Rn. 16a ff.), in denen einiges an jüngerer Rechtsprechung einzupflegen war. Im Rahmen des § 283 StGB werden die Begriffe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ausführlich erläutert (Rn. 7 ff.), wenngleich es sich hier durchaus angeboten hätte, zentrale Normen wie § 17 InsO oder verwandte Normen aus dem GmbHG abzudrucken oder kurz mitzukommentieren. Gleiches gilt für die Folgefragen des Zivilrechts (Haftungsumfang des Geschäftsführers), die man als Praktiker gerne im letzten Abschnitt oder in einem eigenen Abschnitt gefunden hätte. Schließlich ist – im genannten Schwerpunkt des Kommentars – die Lektüre des „neuen“ § 299a StGB empfehlenswert. Gerade das Vorliegen der Unrechtsvereinbarung (Rn. 10 ff.) wird mit etlichen kritischen Bemerkungen erläutert und in den Kontext von Norm und Entstehungsgeschichte eingebettet. Nun aber noch zu einem anderen Bereich, dem Verkehrsstrafrecht, das mich praktisch am ehesten interessiert. Ohne die jüngste Entscheidung des BGH (BGH, Beschl. v. 8.10.2019 − 5 StR 441/19) hierzu schon zitieren zu können wird in § 69 StGB zutreffend kommentiert, dass ein Verstoß nicht zwingend im öffentlichen Verkehrsraum stattgefunden haben muss (Rn. 21). Zutreffend wird auch bemängelt, dass die Sachkunde des Tatrichters zur Frage der Ungeeignetheit eher begrenzt sein dürfte, sodass hier nicht zu Unrecht eine stärkere medizinisch-psychologische Unterstützung der Tatgerichte propagiert wird (Rn. 31). Ob sich dies bei einer so häufig angeordneten Maßregel organisatorisch bewerkstelligen lässt, wage ich aber zu bezweifeln. Bezüglich des Regelbeispiels in Abs. 2 Nr. 3 hätte ich mir zur Frage der (notwendigen) Veränderung der Schadenshöhe in Rn. 53 eine eigene Positionierung der Kommentierung gewünscht (vgl. zuletzt BayObLG, Beschl. v. 17.12.2019 - 204 StRR 1940/19) und auch zur Frage des Vorsatzes (Rn. 54) gäbe es durchaus aktuelle Rechtsprechung. Im Rahmen des § 69a StGB wird zwar zutreffend die rechtliche Unmöglichkeit der Ausnahmeregelung für LKW wegen § 9 FeV zitiert (Rn. 13), dann aber in Rn. 14 dennoch postuliert, Fahrerlaubnisklassen u.a. könnten ausgenommen werden. Das liest sich schon widersprüchlich und es bedürfte für den Praktiker hier einer Positionierung des Kommentars: ist die Vergabe von Ausnahmen nach dem Übermaßverbot gewollt oder nicht? Dazu passt auch, dass die Aufhebung der Sperre in § 69a StGB Rn. 23 für bestimmte Fahrzeugarten bejaht wird. Welche von tatsächlich praktischer Bedeutung sollten das denn sein, wenn nicht LKWs oder Omnibusse, damit wenigstens eine Berufstätigkeit frühzeitig wieder aufgenommen werden kann? Korrelierend: § 44 StGB wurde leider von einem anderen Bearbeiter kommentiert, wo die Problematik des § 9 FeV nicht einmal benannt wird (Rn. 13) und auch kein Querverweis auf § 69 StGB erfolgt, wo man die Kommentierung durchaus abstimmen könnte. Zum Thema interne Verweisungen gleich die Überleitung zu § 142 StGB: die Maßregel als wichtigster Verteidigungsansatz (§ 111a StPO!) wird dort in Rn. 78 mit mageren drei Zeilen erwähnt, wieder ohne Binnenverweis auf die Kommentierung des § 69 StGB (Gleiches übrigens auch bei §§ 315b, 315c, 316 StGB). Auch hier derselbe Hinweis wie oben: wen soll der Kommentar ansprechen? Praktiker? Zur Öffentlichkeit des Verkehrsraums wird sinnvoll auf die Kommentierung in § 315b StGB verwiesen, wenngleich auch hier in jüngerer Zeit durchaus mehr zitierfähige Rechtsprechung zu finden gewesen wäre. Zur Frage der Schadensbemessung wäre ebenfalls eine Auffrischung der Kommentierung notwendig: hier zeigt sich leider klar, dass es bei solchen Normen erforderlich ist, die Praktikerkommentare auch mit heranzuziehen, die aber hier fehlen (Burmann/Heß, NK-GVR, MüKo StVR etc.). So gerät die Frage, welche zivilrechtlichen Ansprüche denn relevant sind, aus dem Blick. Auch Leasing und Car-Sharing finden sich nicht. Das alles wäre aber durchaus wichtig, da sich ja auch die Wartezeit nach der Schadenshöhe bemessen kann (Rn. 40). Die Notwendigkeit des sachverständigen Nachweises zur Frage des Vorsatzes wird zutreffend genannt (Rn. 56), jedoch ebendort die Rolle des Zeugen auf die Wahrnehmung des Aufprallgeräusches reduziert – auch hier hätte ich mir Genaueres erwartet, da man durchaus mittels des Zeugenbeweises den Nachweis des vorsätzlichen Sichentfernens führen kann. Sehr schön ist die Benennung des § 11 Abs. 2 StGB im Rahmen der Kommentierung zu § 315c StGB (nicht aber bei § 315b StGB) bei einer Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination (Rn. 23), aber: Warum erfolgt dies nicht hervorgehoben und mit zusätzlicher Erwähnung bei Abschnitt VII., damit nicht versehentlich wegen Fahrlässigkeit verurteilt wird und damit eine unnötige Revision der Staatsanwaltschaft mit mglw. fatalen Konsequenzen für die Fahrerlaubnis des Betroffenen folgt? Man darf nicht vergessen, dass das strafrichterliche Dezernat oft mit Berufsanfängern besetzt wird, die solche praktischen Hilfen sehr schätzen würden. Sehr schade ist, dass in Rn. 8 nicht die Rechtsprechung des BGH zum strafrechtseigenen Überholbegriff stärker als mit einer Fußnote in den Vordergrund gerückt wird: es gilt gerade nicht zwingend der Überholbegriff des § 5 StVO. Im Rahmen des § 316 StGB werden die Indizien für die relative Fahrunsicherheit nach den Rauschmitteln und nach allgemeinen Fahrunzulänglichkeiten gut ausdifferenziert. Die Rechtsprechung zum Zusammenhang zwischen Blutalkoholkonzentration und Vorsatzvorwurf wird benannt und kritisiert, aber nur mit dem Attribut „überzeugt nicht“ (Rn. 34). Es wäre hier dann natürlich wünschenswert gewesen, ausführlicher zu lesen, was den Autor denn im Ergebnis überzeugt hätte. Auf die allgemeinen Ausführungen zum dolus eventualis und die Regressvermeidung bei der Versicherung zu verweisen, ist für den Praktiker hier wenig hilfreich. Beim Fahrlässigkeitsvorwurf (Rn. 37) hätte es nicht geschadet, die Rechtsprechung des BGH zum fahrlässigen § 24a StVG zu erwähnen, aber auch das Problem cannabishaltiger Medikamente in den Fokus zu nehmen. Was bleibt als Fazit? Der Kommentar ist in weiten Bereichen eine wichtige, ggf. zusätzliche Erkenntnisquelle, sowohl für den Wissenschaftler als auch für den Praktiker. Wenn ich mir den Kommentar aber als Praktiker zu Gemüte führe, erkenne ich Diskrepanzen und Verbesserungspotential, was mit der Auswahl und dem Zusammenspiel der Autoren zu tun hat, aber offenbar auch mit der selbst propagierten Schwerpunktsetzung. Hier könnte, nachdem der Kommentar ja nicht in schneller zeitlicher Abfolge neu erscheint, vielleicht eine gemeinsame Linie erarbeitet werden.

Knapp sieben Jahre nach dem Debüt erscheint nun die zweite Auflage des „blauen“ Kommentars zum StGB im Vahlen Verlag. Nun hatten die Herausgeber nicht nur den Wechsel einiger Autoren zu bewältigen, sondern auch eine durchaus rege Tätigkeit des Gesetzgebers zu verarbeiten, ganz zu schweigen von der lebhaften Judikative. Auf über 3000 Seiten inklusive Verzeichnissen werden die Normen des StGB nun aufbereitet. Dabei setzt der Kommentar, so schon die Bewerbung auf der Banderole, auf einen Schwerpunkt im Wirtschaftsstrafrecht, dazu später.

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Die Arbeit mit dem Werk wird äußerlich von guten Vorzeichen getragen. Trotz des großen Umfangs und der Erforderlichkeit des Einsatzes von dünnem Papier ist der Kommentar handlich im Umgang und angenehm zu lesen. Die Textpassagen sind mit genug Abständen untergliedert, ein echtes Fußnotensystem erlaubt die durchgängige Lektüre und interne Verweisungen vermeiden unnötige Wiederholungen. Der Fettdruck wird mitunter ein wenig abundant eingesetzt, aber dies ist optisch zu verschmerzen.

Die Kommentierungen selbst bieten den Rechtsanwendern den inzwischen gängigen gehobenen Standard, dass neben der Erläuterung der eigentlichen Norm auch Abschnitte zu Konkurrenzen, Rechtsfolgen, Prozessualem und sonstigen Problemen zu finden sind. Das ist nicht nur für den Praktiker unabdingbar, sondern auch ein gutes Hilfsmittel für Studenten und Referendare, die frühzeitig dazu gebracht werden müssen, über den Tellerrand von Definition und Subsumtion zu blicken.

Die klassischen Streitfragen zwischen Rechtsprechung und Literatur könnten einheitlicher bearbeitet werden. So arbeitet die Kommentierung zu § 211 StGB die Problematik zwischen Mord und Totschlag akribisch und gut nachvollziehbar auf, wobei sich der Kommentar klar auf die Seite der „h.L.“ schlägt. Die dazu gehörenden Folgefragen in § 28 StGB hätten jedoch mit dieser Debatte stärker verknüpft werden können, es erfolgt aber nicht einmal ein Verweis auf die Kommentierungen bei § 211. Zudem werden bei § 28 lediglich Standpunkte aufgezählt, aber es wird keine eigene Meinung postuliert. In den Kommentierungen vor § 211 erfolgt ebenfalls kein interner Verweis auf die Kommentierung zu § 28. Beide Normen werden von Professoren bearbeitet. Bei § 249 StGB wiederum, der von einem Praktiker kommentiert wird, wird gar nicht ernsthaft in Frage gestellt, dass die Abgrenzung, die die Rechtsprechung zwischen Raub und Erpressung zieht, die Richtige ist, obwohl dies von der Literatur anders gesehen wird. Hier wäre es Aufgabe der Herausgeber und des Lektorats, solche Spannungsfelder zu entdecken und zu entschärfen, da es für den Rechtsanwender wenig Sinn ergibt, wenn der Kommentar sich in solchen Fragen nicht entweder einheitlich aufstellt oder zumindest für die Darstellung eines Problemkomplexes eine kohärente Aufbereitung anbietet: Entweder möchte man einen Kommentar für die Praxis schaffen, der sich dann klar am BGH orientieren muss. Oder man schreibt einen vornehmlich wissenschaftlichen Kommentar, der (auch) für den Ausbildungsbereich genutzt werden kann.

Den schon erwähnten Schwerpunkt im Wirtschaftsstrafrecht kann man leicht anhand der einschlägigen Normen nachvollziehen. So darf allein die Kommentierung zu § 263 StGB mit über 200 Seiten aufwarten, wobei sogar der Diesel-Skandal mit aufgenommen wurde (Rn. 46a ff.), aber als solcher leider nicht im Sachverzeichnis zu finden ist. Die Untreue wird ebenfalls breit angelegt und darf fast 100 Seiten an Kommentierung beanspruchen. Die Einzelheiten aber auch die Divergenzen der Rechtsprechung werden hierbei gut aufgegriffen und mit Aufzählungen belegt (Rn. 36 ff.), ebenso wird aber auch das Spannungsfeld neuer Berufsgruppen wie der des Compliance-Beauftragten bei der Frage des Begehens durch Unterlassen (Rn. 84 ff.) behandelt. Sehr interessant ist auch die Lektüre der neu eingefügten Randnummern zur Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB (Rn. 16a ff.), in denen einiges an jüngerer Rechtsprechung einzupflegen war. Im Rahmen des § 283 StGB werden die Begriffe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ausführlich erläutert (Rn. 7 ff.), wenngleich es sich hier durchaus angeboten hätte, zentrale Normen wie § 17 InsO oder verwandte Normen aus dem GmbHG abzudrucken oder kurz mitzukommentieren. Gleiches gilt für die Folgefragen des Zivilrechts (Haftungsumfang des Geschäftsführers), die man als Praktiker gerne im letzten Abschnitt oder in einem eigenen Abschnitt gefunden hätte. Schließlich ist – im genannten Schwerpunkt des Kommentars – die Lektüre des „neuen“ § 299a StGB empfehlenswert. Gerade das Vorliegen der Unrechtsvereinbarung (Rn. 10 ff.) wird mit etlichen kritischen Bemerkungen erläutert und in den Kontext von Norm und Entstehungsgeschichte eingebettet.

Nun aber noch zu einem anderen Bereich, dem Verkehrsstrafrecht, das mich praktisch am ehesten interessiert.

Ohne die jüngste Entscheidung des BGH (BGH, Beschl. v. 8.10.2019 − 5 StR 441/19) hierzu schon zitieren zu können wird in § 69 StGB zutreffend kommentiert, dass ein Verstoß nicht zwingend im öffentlichen Verkehrsraum stattgefunden haben muss (Rn. 21). Zutreffend wird auch bemängelt, dass die Sachkunde des Tatrichters zur Frage der Ungeeignetheit eher begrenzt sein dürfte, sodass hier nicht zu Unrecht eine stärkere medizinisch-psychologische Unterstützung der Tatgerichte propagiert wird (Rn. 31). Ob sich dies bei einer so häufig angeordneten Maßregel organisatorisch bewerkstelligen lässt, wage ich aber zu bezweifeln. Bezüglich des Regelbeispiels in Abs. 2 Nr. 3 hätte ich mir zur Frage der (notwendigen) Veränderung der Schadenshöhe in Rn. 53 eine eigene Positionierung der Kommentierung gewünscht (vgl. zuletzt BayObLG, Beschl. v. 17.12.2019 - 204 StRR 1940/19) und auch zur Frage des Vorsatzes (Rn. 54) gäbe es durchaus aktuelle Rechtsprechung. Im Rahmen des § 69a StGB wird zwar zutreffend die rechtliche Unmöglichkeit der Ausnahmeregelung für LKW wegen § 9 FeV zitiert (Rn. 13), dann aber in Rn. 14 dennoch postuliert, Fahrerlaubnisklassen u.a. könnten ausgenommen werden. Das liest sich schon widersprüchlich und es bedürfte für den Praktiker hier einer Positionierung des Kommentars: ist die Vergabe von Ausnahmen nach dem Übermaßverbot gewollt oder nicht? Dazu passt auch, dass die Aufhebung der Sperre in § 69a StGB Rn. 23 für bestimmte Fahrzeugarten bejaht wird. Welche von tatsächlich praktischer Bedeutung sollten das denn sein, wenn nicht LKWs oder Omnibusse, damit wenigstens eine Berufstätigkeit frühzeitig wieder aufgenommen werden kann? Korrelierend: § 44 StGB wurde leider von einem anderen Bearbeiter kommentiert, wo die Problematik des § 9 FeV nicht einmal benannt wird (Rn. 13) und auch kein Querverweis auf § 69 StGB erfolgt, wo man die Kommentierung durchaus abstimmen könnte.

Zum Thema interne Verweisungen gleich die Überleitung zu § 142 StGB: die Maßregel als wichtigster Verteidigungsansatz (§ 111a StPO!) wird dort in Rn. 78 mit mageren drei Zeilen erwähnt, wieder ohne Binnenverweis auf die Kommentierung des § 69 StGB (Gleiches übrigens auch bei §§ 315b, 315c, 316 StGB). Auch hier derselbe Hinweis wie oben: wen soll der Kommentar ansprechen? Praktiker? Zur Öffentlichkeit des Verkehrsraums wird sinnvoll auf die Kommentierung in § 315b StGB verwiesen, wenngleich auch hier in jüngerer Zeit durchaus mehr zitierfähige Rechtsprechung zu finden gewesen wäre. Zur Frage der Schadensbemessung wäre ebenfalls eine Auffrischung der Kommentierung notwendig: hier zeigt sich leider klar, dass es bei solchen Normen erforderlich ist, die Praktikerkommentare auch mit heranzuziehen, die aber hier fehlen (Burmann/Heß, NK-GVR, MüKo StVR etc.). So gerät die Frage, welche zivilrechtlichen Ansprüche denn relevant sind, aus dem Blick. Auch Leasing und Car-Sharing finden sich nicht. Das alles wäre aber durchaus wichtig, da sich ja auch die Wartezeit nach der Schadenshöhe bemessen kann (Rn. 40). Die Notwendigkeit des sachverständigen Nachweises zur Frage des Vorsatzes wird zutreffend genannt (Rn. 56), jedoch ebendort die Rolle des Zeugen auf die Wahrnehmung des Aufprallgeräusches reduziert – auch hier hätte ich mir Genaueres erwartet, da man durchaus mittels des Zeugenbeweises den Nachweis des vorsätzlichen Sichentfernens führen kann.

Sehr schön ist die Benennung des § 11 Abs. 2 StGB im Rahmen der Kommentierung zu § 315c StGB (nicht aber bei § 315b StGB) bei einer Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination (Rn. 23), aber: Warum erfolgt dies nicht hervorgehoben und mit zusätzlicher Erwähnung bei Abschnitt VII., damit nicht versehentlich wegen Fahrlässigkeit verurteilt wird und damit eine unnötige Revision der Staatsanwaltschaft mit mglw. fatalen Konsequenzen für die Fahrerlaubnis des Betroffenen folgt? Man darf nicht vergessen, dass das strafrichterliche Dezernat oft mit Berufsanfängern besetzt wird, die solche praktischen Hilfen sehr schätzen würden. Sehr schade ist, dass in Rn. 8 nicht die Rechtsprechung des BGH zum strafrechtseigenen Überholbegriff stärker als mit einer Fußnote in den Vordergrund gerückt wird: es gilt gerade nicht zwingend der Überholbegriff des § 5 StVO.

Im Rahmen des § 316 StGB werden die Indizien für die relative Fahrunsicherheit nach den Rauschmitteln und nach allgemeinen Fahrunzulänglichkeiten gut ausdifferenziert. Die Rechtsprechung zum Zusammenhang zwischen Blutalkoholkonzentration und Vorsatzvorwurf wird benannt und kritisiert, aber nur mit dem Attribut „überzeugt nicht“ (Rn. 34). Es wäre hier dann natürlich wünschenswert gewesen, ausführlicher zu lesen, was den Autor denn im Ergebnis überzeugt hätte. Auf die allgemeinen Ausführungen zum dolus eventualis und die Regressvermeidung bei der Versicherung zu verweisen, ist für den Praktiker hier wenig hilfreich. Beim Fahrlässigkeitsvorwurf (Rn. 37) hätte es nicht geschadet, die Rechtsprechung des BGH zum fahrlässigen § 24a StVG zu erwähnen, aber auch das Problem cannabishaltiger Medikamente in den Fokus zu nehmen.

Was bleibt als Fazit? Der Kommentar ist in weiten Bereichen eine wichtige, ggf. zusätzliche Erkenntnisquelle, sowohl für den Wissenschaftler als auch für den Praktiker. Wenn ich mir den Kommentar aber als Praktiker zu Gemüte führe, erkenne ich Diskrepanzen und Verbesserungspotential, was mit der Auswahl und dem Zusammenspiel der Autoren zu tun hat, aber offenbar auch mit der selbst propagierten Schwerpunktsetzung. Hier könnte, nachdem der Kommentar ja nicht in schneller zeitlicher Abfolge neu erscheint, vielleicht eine gemeinsame Linie erarbeitet werden.

geschrieben am 06.04.2020 | 1493 Wörter | 8953 Zeichen

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