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Die Lust am Untergang


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Rezension von

Daniel Bigalke

Die Lust am Untergang Dass die Deutschen mit Vorliebe düstere Visionen der Wirklichkeit zeichnen, mag nicht nur den vielen Philosophen des entsprechenden Menschenschlages in unserem Lande zu verdanken sein und nur bei ihnen vorkommen, sondern diese Vorliebe ist längst eine Grundempfindung im Volke selbst. Der Alltag des tristen demokratischen Tagesablaufes mit seinen schöngeistigen Appellen scheint langweilig zu sein, wenn er nicht von neuen terroristischen Anschlägen, extremistischen Übergriffen oder weiteren „skandalösen“ Meldungen flankiert wird, über die man sich dann massenwirksam empören und schließlich als moralisch fortschrittlich positionieren kann. Niemand erkannte jene – überflüssigen und düsteren - Sehnsüchte der menschlichen Seele besser als Friedrich Sieburg. Er fragte sich nämlich, was denn die eigentlichen Nöte der Menschen seien, fernab aller oberflächlich und hysterisch von den Medien reproduzierten Skandale. Sieburgs Bücher wurden einst massenhaft gelesen, sind heute aber fast verschollen. Entsprechend vorbildlich ist die Herausgabe des vorliegenden Bandes, der eines seiner Hauptwerke dem Leser neu präsentiert. Sieburg als wichtiger Zeitgenossen seiner Epoche bekommt damit die Möglichkeit das mitzuteilen, was ihm einst wichtig war und was heute nicht minder von Bedeutung ist. Davon seien nur wenige Aspekte benannt: Durch massenmediale Steuerung degeneriert Politik zum Modeartikel. Politiker pochen auf Moral ohne selbst zu merken, dass sie die Negation ihres eigenen Verhaltens längst produzieren – eine tiefe unmoralische Haltung gegenüber Andersdenkenden oder Abweichlern. Dies läuft auf die Entmachtung bzw. Nicht-Repräsentativität der Parlamente über die Ersetzung politischer Herrschaft durch sachlogische – moralische - Zwänge hinaus. Diese gegenwärtigen „sekundären Wirklichkeiten“ (Erich Voegelin) sind als ideologische Verzerrungen vor allem dadurch entstanden, dass sich der Mensch dem göttlichen Grund, der Transzendenz seiner Existenz, verschließe und nur den Bedürfnissen des „Ich“ folge. Kurz: Es fehlt in der modernen „aufgeklärten“ Welt die Fähigkeit, nötigenfalls zu leiden und Opfer zu bringen. Genau diesen Sturz des Menschen in die scheinbare Welt unendlichen Wohlbefindens klagt Sieburg an. Und so klingen die Gegenstände, die er genüsslich analysiert grundsätzlich tagesaktuell. Als Rufer auf verlorenem Posten, als Konservativer in einer Gesellschaft, die seiner nicht achtete, bietet Sieburg in prosaischem Stil faszinierende Exkurse über Politik, Philosophie und Menschheit an. Er beklagt die "Lust an der Unfreiheit", den Konsumterror und das Verschwinden der Intellektuellen hinter den bloßen "Kulturschaffenden". Der Leser bekommt eindrucksvoll erklärt, wie die Menschen unter der Fuchtel riesiger Herrschafts- und Entscheidungsmechanismen stehen, gegenüber denen ihre Freiheit rein formell bleibt. Das Versprechen von Gleichheit sei gescheitert. Der Kommunismus habe sie verraten, der Kapitalismus habe sie in den Wind geschlagen, indem er die schändlichsten wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten mit einer grundsätzlichen – abstrakt bleibenden und eher nur proklamierten - Gleichheit rechtfertige. Folgt der geneigte Leser dem Plädoyer Sieburgs, so bleibt für den Jetztmenschen folgende Haltung anempfohlen: Man sollte sich mit der Endlichkeit des Seins abfinden und anerkennen, dass die absolute technologische und vergnügungssüchtige Ausrichtung des heutigen Lebens den unvorhergesehenen Schlag des Schicksals, des Todes, der Sorge und des Kampfes niemals ganz wegbetonieren kann. Will man alle Reibungen im Leben moralisch ausmerzen und jeden Schmerz künstlich vermeiden, so steht am Ende die Überflüssigkeit des Körpers selbst und dies kann nicht das erklärte Ziel des modernen Menschen sein. Alles in allem bietet das Buch eine überaus fruchtbare Erkenntnis zur Entschleunigung und Mäßigung des gegenwärtigen Seins und ein Plädoyer für mehr Sinnlichkeit des Leibes. Es steht dafür, sich vielmehr auf hohem geistigem Niveau selbstlos zu verausgaben, um so die lähmende Lust am nächsten ersehnten Untergangsszenario zu vertreiben.

Dass die Deutschen mit Vorliebe düstere Visionen der Wirklichkeit zeichnen, mag nicht nur den vielen Philosophen des entsprechenden Menschenschlages in unserem Lande zu verdanken sein und nur bei ihnen vorkommen, sondern diese Vorliebe ist längst eine Grundempfindung im Volke selbst. Der Alltag des tristen demokratischen Tagesablaufes mit seinen schöngeistigen Appellen scheint langweilig zu sein, wenn er nicht von neuen terroristischen Anschlägen, extremistischen Übergriffen oder weiteren „skandalösen“ Meldungen flankiert wird, über die man sich dann massenwirksam empören und schließlich als moralisch fortschrittlich positionieren kann.

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Niemand erkannte jene – überflüssigen und düsteren - Sehnsüchte der menschlichen Seele besser als Friedrich Sieburg. Er fragte sich nämlich, was denn die eigentlichen Nöte der Menschen seien, fernab aller oberflächlich und hysterisch von den Medien reproduzierten Skandale. Sieburgs Bücher wurden einst massenhaft gelesen, sind heute aber fast verschollen. Entsprechend vorbildlich ist die Herausgabe des vorliegenden Bandes, der eines seiner Hauptwerke dem Leser neu präsentiert. Sieburg als wichtiger Zeitgenossen seiner Epoche bekommt damit die Möglichkeit das mitzuteilen, was ihm einst wichtig war und was heute nicht minder von Bedeutung ist. Davon seien nur wenige Aspekte benannt: Durch massenmediale Steuerung degeneriert Politik zum Modeartikel. Politiker pochen auf Moral ohne selbst zu merken, dass sie die Negation ihres eigenen Verhaltens längst produzieren – eine tiefe unmoralische Haltung gegenüber Andersdenkenden oder Abweichlern. Dies läuft auf die Entmachtung bzw. Nicht-Repräsentativität der Parlamente über die Ersetzung politischer Herrschaft durch sachlogische – moralische - Zwänge hinaus. Diese gegenwärtigen „sekundären Wirklichkeiten“ (Erich Voegelin) sind als ideologische Verzerrungen vor allem dadurch entstanden, dass sich der Mensch dem göttlichen Grund, der Transzendenz seiner Existenz, verschließe und nur den Bedürfnissen des „Ich“ folge. Kurz: Es fehlt in der modernen „aufgeklärten“ Welt die Fähigkeit, nötigenfalls zu leiden und Opfer zu bringen. Genau diesen Sturz des Menschen in die scheinbare Welt unendlichen Wohlbefindens klagt Sieburg an.

Und so klingen die Gegenstände, die er genüsslich analysiert grundsätzlich tagesaktuell. Als Rufer auf verlorenem Posten, als Konservativer in einer Gesellschaft, die seiner nicht achtete, bietet Sieburg in prosaischem Stil faszinierende Exkurse über Politik, Philosophie und Menschheit an. Er beklagt die "Lust an der Unfreiheit", den Konsumterror und das Verschwinden der Intellektuellen hinter den bloßen "Kulturschaffenden". Der Leser bekommt eindrucksvoll erklärt, wie die Menschen unter der Fuchtel riesiger Herrschafts- und Entscheidungsmechanismen stehen, gegenüber denen ihre Freiheit rein formell bleibt. Das Versprechen von Gleichheit sei gescheitert. Der Kommunismus habe sie verraten, der Kapitalismus habe sie in den Wind geschlagen, indem er die schändlichsten wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten mit einer grundsätzlichen – abstrakt bleibenden und eher nur proklamierten - Gleichheit rechtfertige.

Folgt der geneigte Leser dem Plädoyer Sieburgs, so bleibt für den Jetztmenschen folgende Haltung anempfohlen: Man sollte sich mit der Endlichkeit des Seins abfinden und anerkennen, dass die absolute technologische und vergnügungssüchtige Ausrichtung des heutigen Lebens den unvorhergesehenen Schlag des Schicksals, des Todes, der Sorge und des Kampfes niemals ganz wegbetonieren kann. Will man alle Reibungen im Leben moralisch ausmerzen und jeden Schmerz künstlich vermeiden, so steht am Ende die Überflüssigkeit des Körpers selbst und dies kann nicht das erklärte Ziel des modernen Menschen sein.

Alles in allem bietet das Buch eine überaus fruchtbare Erkenntnis zur Entschleunigung und Mäßigung des gegenwärtigen Seins und ein Plädoyer für mehr Sinnlichkeit des Leibes. Es steht dafür, sich vielmehr auf hohem geistigem Niveau selbstlos zu verausgaben, um so die lähmende Lust am nächsten ersehnten Untergangsszenario zu vertreiben.

geschrieben am 10.08.2010 | 546 Wörter | 3542 Zeichen

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