Navigation

Seiten der Rubrik "Bücher"


Google Anzeigen

Anzeigen

Bücher

Die leichten Schritte des Wahnsinns


Statistiken
  • 7616 Aufrufe

Informationen zum Buch
  ISBN
  Autoren
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Susanne Töpfer

Die leichten Schritte des Wahnsinns 1996 hieß Moskaus oberster Wodkatrinker gerade Boris Jelzin. Mehr als selbst zu saufen fiel dem Durchschnittsrussen dazu nicht ein, wenn man der russischen Starautorin Polina Daschkowa glauben darf. „Die leichten Schritte des Wahnsinns“ ist ein typischer Daschkowa-Roman: brave Durchschnittsfamilien, bei denen das Grauen hinter der Spitzengardine lauert, überlässt sie den anglophonen Kollegen. Ihr Thema ist Russland im postkommunistischen Chaos. Ihre Figuren haben Biografien mit hübschen Zickzack-Mustern. Intakte Familien, romantische Beziehungen die irgendwann mal bei Candle-Light-Dinnern ihren Anfang nahmen, Bürger ohne Laster, Männer ohne Eigenschaften scheint es in Russland nicht zu geben, wenn man ihr Glauben schenkt. Hauptheldin ist Lena, eine Redakteurin die sich die Babypause mit ihrer Zweijährigen nicht leisten kann und schuftet wie ein Pferd. Als wäre das nicht genug, wird sie auch noch von verliebten Serienkillern, drogensüchtigen Freunden, weltfremden Amerikanern und rätselhaften Todesfällen belästigt. Typisch für Daschkowa ist, dass ihre Kriminalromane sich im Laufe des ersten Drittels jeglichen Whodunnit-Ballastes entledigen. Der Leser darf spätestens auf der 100. Seite dem Täter live beim Morden zuschauen. Die Spannung des restlichen Buches ergibt sich aus der Frage, wann und wie denn die arme Lena dem Treiben entkommen und alles aufklären kann. Sie ist als einzige Figur als der warmherzige, optimistische Sonnenschein konstruiert, dem man das Überleben ebenso gönnt wie die Überführung der bösen Buben. Doch um Lena herum wogt die verstörte russische Seele. Moskau: ein Tempel des Kapitals, in dem eine geisteskranke Version von Dieter Bohlen sich aufführt wie eine Tarantino-Figur. Das restliche Russland: endlose Weiten, isoliert und vom Fortschritt sowie dem Rest der Welt vergessen. Menschliche Beziehungen: existieren nur als informelle Netzwerke kriminellen Gesockses. Das alles ist so überzeichnet, dass man es schon im dritten Kapitel ermüdend finden würde. Doch nicht einmal dazu bekommt man eine Chance: was der Krimihandlung an Spannung fehlt und schnell ins nervige Sozialdrama abzudriften droht, wird durch Daschkowas psychologisches Talent mehr als ausgeglichen. Auch hier überzeichnet sie, die Subtilität und Glaubwürdigkeit ihrer Britschen Kolleginnen wie Ruth Rendell oder Susan Hill wird man bei ihr nicht finden. Aber vielleicht ist ja Subtilität etwas für kleine Inseln im Atlantik. Das weite Russland jedenfalls lässt Platz für absonderlichste, aber eben dadurch höchst unterhaltsame Blüten menschlicher Verschrobenheit. Einmal als Kind vom Topf gefallen: noch vor der ersten Rasur die erste Blondine gemeuchelt. So entwickelt man sich in der sowjetischen Provinz und wird dann auch noch vom Zusammenbruch des Kommunismus zusätzlich verwirrt: Dabei kann nichts herauskommen, was Bree Van de Kamp zum Tee einladen würde. Da in diesem Roman nicht nur der Täter verrückt ist, sondern jeder außer Lena, bekommt man ein paar seltsame Eindrücke von osteuropäischer Mentalität. Das ist aber egal, weil alles derart absurd ist, dass jede Glaubwürdigkeit den Don runtergeht. Außerdem unterhaltsam genug, dass man gar nicht dazu kommt, über die rote Gefahr nachzudenken, denn Daschkowas Erzähltechnik hat einen hypnotischen Sog. Man sollte dieses Buch in der Badewanne lesen so wie man unter der Dusche singt: mit ganzer Seele und ohne jede Ambition. Spaß wird man haben, auch wenn man sich hinter fühlt als hätte man zuviel Wodka getrunken.

1996 hieß Moskaus oberster Wodkatrinker gerade Boris Jelzin. Mehr als selbst zu saufen fiel dem Durchschnittsrussen dazu nicht ein, wenn man der russischen Starautorin Polina Daschkowa glauben darf. „Die leichten Schritte des Wahnsinns“ ist ein typischer Daschkowa-Roman: brave Durchschnittsfamilien, bei denen das Grauen hinter der Spitzengardine lauert, überlässt sie den anglophonen Kollegen. Ihr Thema ist Russland im postkommunistischen Chaos. Ihre Figuren haben Biografien mit hübschen Zickzack-Mustern. Intakte Familien, romantische Beziehungen die irgendwann mal bei Candle-Light-Dinnern ihren Anfang nahmen, Bürger ohne Laster, Männer ohne Eigenschaften scheint es in Russland nicht zu geben, wenn man ihr Glauben schenkt.

weitere Rezensionen von Susanne Töpfer

#
rezensiert seit
Buchtitel

Hauptheldin ist Lena, eine Redakteurin die sich die Babypause mit ihrer Zweijährigen nicht leisten kann und schuftet wie ein Pferd. Als wäre das nicht genug, wird sie auch noch von verliebten Serienkillern, drogensüchtigen Freunden, weltfremden Amerikanern und rätselhaften Todesfällen belästigt.

Typisch für Daschkowa ist, dass ihre Kriminalromane sich im Laufe des ersten Drittels jeglichen Whodunnit-Ballastes entledigen. Der Leser darf spätestens auf der 100. Seite dem Täter live beim Morden zuschauen. Die Spannung des restlichen Buches ergibt sich aus der Frage, wann und wie denn die arme Lena dem Treiben entkommen und alles aufklären kann. Sie ist als einzige Figur als der warmherzige, optimistische Sonnenschein konstruiert, dem man das Überleben ebenso gönnt wie die Überführung der bösen Buben. Doch um Lena herum wogt die verstörte russische Seele. Moskau: ein Tempel des Kapitals, in dem eine geisteskranke Version von Dieter Bohlen sich aufführt wie eine Tarantino-Figur. Das restliche Russland: endlose Weiten, isoliert und vom Fortschritt sowie dem Rest der Welt vergessen.

Menschliche Beziehungen: existieren nur als informelle Netzwerke kriminellen Gesockses.

Das alles ist so überzeichnet, dass man es schon im dritten Kapitel ermüdend finden würde. Doch nicht einmal dazu bekommt man eine Chance: was der Krimihandlung an Spannung fehlt und schnell ins nervige Sozialdrama abzudriften droht, wird durch Daschkowas psychologisches Talent mehr als ausgeglichen. Auch hier überzeichnet sie, die Subtilität und Glaubwürdigkeit ihrer Britschen Kolleginnen wie Ruth Rendell oder Susan Hill wird man bei ihr nicht finden. Aber vielleicht ist ja Subtilität etwas für kleine Inseln im Atlantik. Das weite Russland jedenfalls lässt Platz für absonderlichste, aber eben dadurch höchst unterhaltsame Blüten menschlicher Verschrobenheit. Einmal als Kind vom Topf gefallen: noch vor der ersten Rasur die erste Blondine gemeuchelt. So entwickelt man sich in der sowjetischen Provinz und wird dann auch noch vom Zusammenbruch des Kommunismus zusätzlich verwirrt: Dabei kann nichts herauskommen, was Bree Van de Kamp zum Tee einladen würde.

Da in diesem Roman nicht nur der Täter verrückt ist, sondern jeder außer Lena, bekommt man ein paar seltsame Eindrücke von osteuropäischer Mentalität. Das ist aber egal, weil alles derart absurd ist, dass jede Glaubwürdigkeit den Don runtergeht. Außerdem unterhaltsam genug, dass man gar nicht dazu kommt, über die rote Gefahr nachzudenken, denn Daschkowas Erzähltechnik hat einen hypnotischen Sog.

Man sollte dieses Buch in der Badewanne lesen so wie man unter der Dusche singt: mit ganzer Seele und ohne jede Ambition. Spaß wird man haben, auch wenn man sich hinter fühlt als hätte man zuviel Wodka getrunken.

geschrieben am 26.07.2007 | 502 Wörter | 2989 Zeichen

Kommentare lesen Kommentar schreiben

Kommentare zur Rezension (0)

Platz für Anregungen und Ergänzungen